Vitamin D – im Winter ab nach Andalusien

Das Meer an der Küste von Andalusien
Das Meer an der Küste von Andalusien
Ein Traum: Im Winter den Vitamin-D-Speicher in Andalusien auffüllen.

Nur südlich des 35. Breitengrades ist in den Wintermonaten die UV-Strahlung der Sonne intensiv genug, damit in der Haut Vitamin D gebildet kann. Der 35. Breitengrad, das ist die Südspitze Spaniens und Griechenlands. Immerhin legt man auch in Mitteleuropa über die Sommermonate normalerweise durch reichlichen Aufenthalt im Freien genügend Vitamin-D-Speicher an. So kann man im Herbst zumindest noch eine ganze Zeitlang lang das im Körper gespeicherte Vitamin D aus den Sommermonaten verbrauchen. Erst danach könnte bis zum Frühjahr Mangel herrschen. Denn es ist nicht ganz einfach, den gesamten Vitamin D-Bedarf über die Ernährung zu decken.

Ein Mangel an Vitamin D, so betont es der vor wenigen Tagen erschienene 14. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., sei in der Bevölkerung in Deutschland vor allem im Winter weit verbreitet. Vitamin D wird an vielen Stellen des Stoffwechsels notwendig gebraucht, vor allem aber, um Kalzium im Knochen einzubauen. Ein Klassiker des Vitamin-D-Mangels ist die Rachitis, die Knochenerweichung bei Kindern, die zu wenig Sonnenlicht bekommen. Viele Menschen stellen fest, dass ihr Novemberblues und ihre Winterdepressivität mit der Einnahme von Vitamin D verschwinden. Aber sonst?

Vitamin-D-Mangel – Ursache oder nur Symptom?

Ein Mangel an Vitamin D wird häufiger gefunden bei Frauen, die ungewollt kinderlos bleiben[1], bei Schwangeren, die vorzeitige Wehen bekommen und deren Kinder zu früh geboren werden[2]. Er wird häufiger gefunden bei Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes[3] und Schwangerschafts-Hochdruck[4], bei Depressionen[5] und Erschöpfung, und – so stellt es der aktuelle DGE-Ernährungsreport vor – auch bei Asthma und anderen, auch infektiösen Erkrankungen der Atemwege. Ein Vitamin-D-Mangel steht auch im Verdacht, irgendetwas mit einem ungünstigen Verlauf von Covid-19 zu tun zu haben[6].

Das bedeutet aber keinesfalls, dass der Mangel an Vitamin D für alle diese Erkrankungen allein ursächlich verantwortlich wäre. Es könnte genauso auch sein, dass der Zusammenhang eigentlich ein ganz anderer ist. Zum Beispiel könnte es sich um ein komplexes Zusammenspiel von Lebensweise, Aufenthalt im Freien, Sonneneinstrahlung und Vitamin D handeln: Eine Lebensweise mit viel Bewegung an der frischen Luft auf der einen Seite führt zu einer besseren Vitamin-D-Synthese in der Haut, und eine eher bewegungsarme Lebensweise mit einem hauptsächlichen Aufenthalt im Haus bzw. in der Wohnung, lange Arbeitszeiten, Junkfood-nahe, zeitsparende Ernährung und vielleicht auch ein höheres Körpergewicht könnte mit einer geringeren Sonneneinstrahlung und damit einer niedrigeren Vitamin-D-Synthese einhergehen. Allein diese grundsätzlichen und gravierenden Unterschiede in der Lebensweise könnte für viele der vermuteten Zusammenhänge ein ausreichendes Erklärungsmuster bilden, für ein erhöhtes Risiko für Diabetes, Bluthochdruck, eine schlechtere Infektabwehr. Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel im Blut wäre dann nur ein Anzeiger für eine Lebensweise, die der Gesundheit abträglich ist, nicht aber die Krankheitsursache.

Nur ein Laborwert oder ein echter Mangelzustand?

Wie hoch sollte nun die tägliche Vitaminmenge sein? Wenn man den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung folgt, dann müssten alle Schwangeren den gesamten Winter über Vitamin-D-Präparate zu sich nehmen. BabyCare ist einer etwas anderen Ansicht[7]. Denn wenn ein Vitamin-D-Mangel tatsächlich zu einer Zunahme von Frühgeburten führen würde, dann müsste das in den Geburtenstatistiken sichtbar sein; dann müsste die Frühgeburtenrate im Winter regelmäßig ansteigen und im Sommer abfallen. Das tut sie aber nicht.

Zunächst einmal geht also es darum, die Vitamin-D-Speicher den Sommer über bis in den September so weit aufzufüllen wie es geht. Und danach gilt es, den Vitamin-D-Bedarf so gut wie möglich über die Nahrung zu decken. Fettreicher Fisch wie Hering, Sardinen, Thunfisch und Makrele sind wichtige Vitamin-D-Lieferanten, ebenso Avocados, Eier und auch Milch und Milchprodukte.

Ob eine weitere Vitamin-D-Ergänzung sein sollte, so wie bei Jod oder Folsäure, dazu sind letztlich die wissenschaftlichen Beweise nicht schlüssig genug. Und selbst wenn eine Frau sich entscheidet, Vitamin D zusätzlich einzunehmen, hilft viel hier nicht viel. Mehr als 1000 bis 1500 Internationale Einheiten des Vitamins – üblich ist D3 –, entsprechend 30-40 Mikrogramm, sollten es auf keinen Fall sein. Das ist als Tagesdosis genug. Eine weitere Steigerung sei nicht sinnvoll, so warnt das Robert-Koch-Institut: „Bei einer übermäßig hohen Einnahme von Vitamin D entstehen im Körper erhöhte Kalziumspiegel, die akut zu Übelkeit, Appetitlosigkeit, Bauchkrämpfen, Erbrechen oder in schweren Fällen zu Nierenschädigung, Herzrhythmusstörungen, Bewusstlosigkeit und Tod führen können. Da Vitamin D im Körper gespeichert werden kann, ist neben einer akuten auch eine schleichende Überdosierung möglich.“

Außerdem haben Wissenschaftler/innen der Universität Halle/Wittenberg festgestellt, dass Kinder häufiger an Nahrungsmittelallergien erkranken, wenn ihre Mütter in der Schwangerschaft einen hohen Vitamin-D-Spiegel hatten.

Was bleibt? In der sonnenarmen, kalten, regnerischen und dunklen Zeit fühlen sich viele Menschen antriebslos bis hin zu depressiven Phasen, die sich mit einer Vitamin-D-Ergänzung vertreiben lassen. Richtig statistisch lässt sich auch das nicht nachweisen, aber niedrig genug dosiert richtet Vitamin D auch keinen Schaden an. Eine Pflicht – so wie Jod oder Folsäure – ist es jedenfalls nicht.

Autorin: Dr. med. Susanna Kramarz

Bild-Copyright © Dave Weatherall / Unsplash

Quellen:
[1] Chu J, Gallos I, Tobias A et al. Vitamin D and assisted reproductive treatment outcome: a prospective cohort study. Reprod Health 16, 106 (2019). https://doi.org/10.1186/s12978-019-0769-7

[2] Bodnar L, Platt R, Simhan H. Early-Pregnancy Vitamin D Deficiency and Risk of Preterm Birth Subtypes

Obstet Gynecol. 2015 Feb; 125(2): 439–447. doi: 10.1097/AOG.0000000000000621.

[3] Ojo O, Weldon SM, Thompson T, Vargo EJ. The Effect of Vitamin D Supplementation on Glycaemic Control in Women with Gestational Diabetes Mellitus: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomised Controlled Trials. Int J Environ Res Public Health. 2019 May 16;16(10):1716. doi: 10.3390/ijerph16101716..

[4] Purswani JM, Gala P, Dwarkanath P, Larkin HM, Kurpad A, Mehta S. The role of vitamin D in pre-eclampsia: a systematic review. BMC Pregnancy Childbirth. 2017 Jul 15;17(1):231. doi: 10.1186/s12884-017-1408-3.

[5] Shaffer JA, Edmondson D, Wasson LT, Falzon L, Homma K, Ezeokoli N, Li P, Davidson KW. Vitamin D supplementation for depressive symptoms: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Psychosom Med. 2014 Apr;76(3):190-6. doi: 10.1097/PSY.0000000000000044.

[6] Benskin LL. A Basic Review of the Preliminary Evidence That COVID-19 Risk and Severity Is Increased in Vitamin D Deficiency. Front Public Health. 2020 Sep 10;8:513. doi: 10.3389/fpubh.2020.00513.

[7] Kirschner W, Dudenhausen JW, Medikamentöse Krankheitsprävention mit Vitamin D – Epidemiologische Evidenz am Beispiel von Komplikationen im Verlauf der Schwangerschaft und bei der Geburt. Gesundheitswesen 2014; 76(05): 325-330. DOI: 10.1055/s-0033-1347223

📅 Letzte Änderung am: 12. März 2023

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