Ein Kommentar von Dr. med. Susanna Kramarz – Medizinpublistik, Frauenheilkunde, Gynäkologie, Ärztin.
Ab dem 1. Januar 2021 dürfen Ultraschall-Untersuchungen in der Schwangerschaft nur noch mit einer ärztlichen Begründung durchgeführt werden. Einfach so jeden Monat ein Foto oder Film-fürs Familienalbum – das ist dann verboten. Im Prinzip ist dagegen überhaupt nichts einzuwenden. Dass sich Familien auf dem europäischen Grauen Markt Ultraschallgeräte für den Home-Use mieten konnten, oder dass Fotostudios kleine Kinosäle eingerichtet haben, damit die ganze Familie in live das ungeborene Baby am Daumen nuckeln sieht, das waren problematische Entwicklungen. Frauenärztinnen und -ärzte und auch die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin haben schon lange darauf hingewiesen.
Seit die Verordnung, die dieses Verbot regelt, aber herausgekommen ist, fürchten viele Eltern, dass der Ultraschall verboten wäre, weil er dem Baby schaden könnte. Denn das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit BMU formulierte in der Begründung zur Verordnung auf Seite 439 Folgendes:

„Im Gegensatz zu nichtmedizinischen Anwendungen mit Ultraschall bei Erwachsenen, bei denen eine positive Wirkung durch den Kunden erwünscht und deren Nebenwirkungen und Risiken wissentlich akzeptiert werden, handelt es sich bei einem Fötus um einen Dritten, einen Schutzbefohlenen, der zudem keinen Nutzen aus den Anwendungen zieht. Die für die Bildgebung notwendigen hohen Ultraschallintensitäten sind mit einem potenziellen Risiko für das Ungeborene verbunden, insbesondere da mit Beginn der Knochenbildung wesentlich mehr Schallenergie am Knochen absorbiert wird. Darüber hinaus fehlen verlässliche Untersuchungen über die Folgen dieser Anwendung…. Nichtmedizinische Dienstleistungen, die z.B. unter dem Stichwort „Babyviewing“ angeboten werden, werden auch von relevanten Fachverbänden wie z.B. dem Green Birth e.V. ausdrücklich abgelehnt. Daher werden Ultraschallanwendungen zu einem nicht medizinischen Zweck, wie z.B. zur reinen Bildgebung am Fötus („Babykino“), ohne dass eine ärztliche Indikation gestellt wurde untersagt.“
Inhaltsverzeichnis
Umweltministerium macht Sachfehler
Definitiv enthält diese Stellungnahme aus dem Bundesumweltministerium mehrere Sachfehler. Die Annahme, dass der Ultraschall das ungeborene Baby schädigen könnte, bezieht sich darauf, dass durch den Ultraschall theoretisch eine Erwärmung möglich ist. Aber die Ultraschallgeräte arbeiten mit minimalen Schallintensitäten, die Sonde wird ständig bewegt, und für 3D-Aufnahmen werden sogar längere Intervalle zwischen den Schallwellen eingehalten als beim 2D-Ultraschall, sie belasten das Gewebe also eher weniger. Im Tiermodell wurden Versuchtieren Ultraschallsonden aufgeschnallt, und sie mussten damit eine ganze Zeitlang herumlaufen. Danach wurden Temperaturerhöhungen im beschallten Gewebe von weniger als einem Grad gefunden. Diese Anordnung hat nichts mit der medizinischen Realität gemeinsam. Es ist beim Ultraschall des ungeborenen Babys ausgeschlossen, dass die Schallwellen hier irgendeine Art der Erwärmung verursachen können. Dieses Wissen ist nicht neu, es hätte dem Bundesumweltministerium und allen, die sich mit dem Entwurf der neuen Verordnung befasst waren, offen zur Verfügung gestanden.
So wurden Juristen durch medizinische Laien beraten
Das Ministerium liegt falsch mit seiner Begründung, und man fragt sich, wer um Gottes Willen die Juristen dort beraten hat. Und hier liegt die Würze: Der Text nennt „relevante Fachverbände wie Green Birth e.V.“. Diese Quelle zu nennen ist immerhin ehrlich. Green Birth ist ein kleiner Verein, der wohl mit dem Begriff „esoterisch“ korrekt bezeichnet ist. Im Vorstand sitzen eine Religionspädagogin, eine Psychotraumatologin, eine Krankenschwester, ein Chemiker, eine Mathematiklehrerin. Ärzt/innen, Frauenärzt/innen, vielleicht auch Vertreter/innen aus der forschenden Medizin oder wenigstens eine Hebamme – keine Spur weit und breit. Niemand aus diesem Verein hat jemals selbst eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt oder den Ultraschall im Tiermodell untersucht. Green Birth spricht von nachgewiesenen „Einwirkungen zu häufiger Ultraschallexpositionen auf die fetale Gehirnentwicklung“, von Einwirkungen auf die Knochenbildung. Nichts davon hält der Überprüfung stand.
Solche Irrtümer mögen einem kleinen Verein, der sich der natürlichen und möglichst medizinfernen Geburt verschrieben hat, gestattet sein. Wieso aber zitiert das Ministerium ausgerechnet diese Quelle als namhaften Fachverband, wieso fällt es auf solche Gerüchte herein? Wieso wurde der Gesetzesentwurf nicht von den wirklich „relevanten Fachverbänden“ beurteilt?
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Einen Absatz in 449 Seiten übersehen …..
Die Wahrheit ist: Sowohl die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe als auch der Berufsverband der Frauenärzte haben die Verordnung vom Ministerium nicht zur Stellungnahme erhalten, waren über das Vorhaben also gar nicht informiert. Anders die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin DEGUM, dort wurde der Entwurf vom Ministerium durchaus rechtzeitig vorgelegt, ebenso in der Bundesärztekammer. Dort wurde nur der Text der Verordnung selbst gesehen, der den Ultraschall in der Schwangerschaft jetzt ausschließlich in die Hände der dafür ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte legt. Aber es wurde in beiden Fällen schlicht übersehen, dass in dem 449 Seiten starken Entwurf mitsamt Begründung, in dem es um technische Anforderungen, Kennzeichnungspflichten, ionisierende und nichtionisierende Strahlen, Sicherheitsbeauftragte und vieles mehr ging, nicht nur der nichtmedizinische Ultraschall verboten wurde, was ja an sich in Ordnung ist, sondern dass das auf Seite 439 von 449 mit der fehlerhaften, hochgradig problematischen, bereits eingangs zitierten Begründung passierte.
…und am Ende lag das Kind im Brunnen
So erwischte es die Ärzteschaft und speziell die Frauenärztinnen und -ärzte völlig unerwartet, als am Ende des politischen Prozesses im Frühjahr 2019 die Verordnung veröffentlicht wurde und das Ministerium zur Begründung von den Gefahren durch den Schwangerschafts-Ultraschall sprach. In einer eigenen Pressekonferenz versuchte die DEGUM, in der die tatsächliche Kompetenz zum Ultraschall in der Medizin in Deutschland zu finden ist, das Kind wieder aus dem Brunnen herauszuholen. Zu spät. Dass es zwar gute Gründe geben kann, das Babyfernsehen in der Hand von nichtärztlichen Laien zu untersagen, dass es dabei aber nicht um eventuelle Schäden geht, die die Schallwellen beim Baby anrichten könnten, ist auf der Strecke geblieben.
Autorin: Dr. Susanna Kramarz
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📅 Letzte Änderung am: 12. März 2023