Gewalt unter der Geburt: Sensibilisierung, Unterstützung und für eine respektvolle Geburtsumgebung eintreten

Gewalt unter der Geburt: Sensibilisierung, Unterstützung und für eine respektvolle Geburtsumgebung eintreten

Heute möchten wir ein wichtiges und oft tabuisiertes Thema ansprechen: Gewalt unter der Geburt. Eigentlich sollte die Geburt eine transformative und unterstützende Erfahrung sein, aber leider erfahren einige Frauen in diesem sensiblen und verletzlichen Moment Gewalterfahrungen oder eine bevormundende, respektlose Behandlung.

In diesem Beitrag wollen wir über die verschiedenen Aspekte von Gewalt unter der Geburt sprechen, einschließlich der kontroversen Praxis des Kristeller-Handgriffs. Wir werden die Bedeutung der Sensibilisierung und Unterstützung für betroffene Frauen betonen und Wege aufzeigen, wie wir als Gesellschaft diese problematische Praxis angehen können.

Es ist wichtig zu betonen, dass dieser Artikel lediglich informativ ist und keine medizinische Beratung oder Rechtsberatung ersetzt. Lasst uns gemeinsam ein Bewusstsein schaffen und für eine respektvolle Geburtsumgebung eintreten.

Was ist Gewalt unter der Geburt?

Gewalt unter der Geburt bezieht sich auf eine Reihe von respektlosen, unwürdigen oder übergriffigen Handlungen, die während der Geburt gegenüber der Frau ausgeübt werden können. Dies kann physische, verbale, emotionale oder psychische Gewalt umfassen. Laut einer deutschen Studie der Psychologischen Hochschule Berlin, die DER SPIEGEL zitiert hat, waren fast 51 Prozent der über 1.000 befragten Frauen von einer Form physischer Gewalt betroffen. Zu den Erfahrungen gehörten fehlende Aufklärung über geplante Handlungen und Eingriffe, daraus folgend Interventionen ohne das Einverständnis der Schwangeren oder der Begleitperson eingeholt zu haben, darunter häufige vaginale Untersuchungen oder die Verabreichung von Medikamenten. Laut der Studienleiterin Lea Beck-Hiestermann sind die Ergebnisse auch im Detail „alarmierend“:

  • 38 % der Frauen gaben an, physische Gewalt erfahren zu haben. Dies beinhaltet beispielsweise die Gabe von Medikamenten ohne Einverständnis oder einen groben Umgang seitens des medizinischen Personals.
  • 36 % der Frauen berichteten von Vernachlässigung, wie mangelnde Kommunikation, Ignorieren von starken Schmerzen oder dem Wegschicken der Begleitperson.
  • 29 % der Frauen gaben an, psychische oder verbale Gewalt erlebt zu haben, wie das Lächerlichmachen, abfällige Bemerkungen oder Beschimpfungen sowie Diskriminierung.
  • 23 % der Frauen gaben an, Gewalt in Bezug auf die Mutter-Kind-Beziehung erfahren zu haben, wie beispielsweise die Trennung des Kindes ohne Absprache oder erzwungenes Stillen. [1]

Weitere empirische Studien legen nahe, dass zwischen 9 % und 45 % aller Frauen während der Geburt traumatische Erfahrungen gemacht haben, wobei die großen Unterschiede dieser Prozentwerte damit zusammenhängen, festzulegen, was alles als Gewalt definiert wird. Viele der betroffenen Frauen beschreiben eingeschränkte oder mangelnde Fürsorge, sowie Respektlosigkeit und Gewalt in der Betreuung während der Geburt als Hauptfaktoren, die für ihr traumatisches Geburtserleben ursächlich waren. [2]

Der kontroverse Kristeller-Handgriff

Ein besonders umstrittener Aspekt von Gewalt unter der Geburt ist der sogenannte Kristeller-Handgriff. Benannt nach dem deutschen Gynäkologen Samuel Kristeller, bezieht sich dieser Handgriff auf die Methode, bei der Druck auf den Oberbauch der Mutter ausgeübt wird, um die Wehen zu unterstützen oder die Geburt zu beschleunigen. Es wird kritisiert, dass der Kristeller-Handgriff unnötig schmerzhaft sein kann und ein erhöhtes Risiko für Komplikationen wie Uterusrupturen, Verletzungen des Babys oder innere Verletzungen der Mutter birgt. Erfreulicherweise wird diese Methode aber nur noch selten in den Kreißsälen angewandt.

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Die Auswirkungen von Gewalt unter der Geburt

Gewalt unter der Geburt kann schwerwiegende Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit von Frauen haben. Je nach Erleben der Gewalterfahrungen kann eine posttraumatische Belastungsstörung auftreten, die sich in anhaltenden Ängsten, Alpträumen, Schlafstörungen und wiederkehrenden belastenden Erinnerungen äußert.

Frauen, die gewaltvolle Erfahrungen unter der Geburt machen, können ihr Vertrauen in ihre körperlichen Fähigkeiten und ihren Geburtsprozess verlieren, was sich negativ auf nachfolgende Geburten auswirken kann. Außerdem kann es negative Auswirkungen auf das Stillen und die Mutter-Kind-Bindung haben.

Frauen, die Gewalt unter der Geburt erfahren haben, sind zudem einem erhöhten Risiko für postpartale Depressionen ausgesetzt.

Traumatische Geburtserfahrungen sowie Gewalterfahrungen im Kreißsaal betreffen jedoch nicht nur die Frauen, sondern auch die Begleitpersonen und Partner. [3]

Was kann jede Schwangere selbst tun, um Gewalterfahrungen zu vermeiden?

Suchen Sie sich einen Geburtsort aus, zu dem Sie Vertrauen haben und in dem Sie sich wohlfühlen. Das ist wichtig, damit Sie sich unter der Geburt der Situation gut hingeben können.

Überlegen Sie im Vorfeld gemeinsam mit Ihrem Partner bzw. der Person, die Sie zur Geburt begleitet, wie Ihre Geburt möglichst optimal verlaufen soll. Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie in sehr schmerzhafte Situationen kommen können und überlegen Sie im Vorfeld, ob und welche Schmerzmittel Sie bekommen möchten. Teilen Sie dies Ihrer betreuenden Hebamme mit. Ihr Partner sollte hier als Ihr Fürsprecher fungieren, wenn Sie selbst nicht mehr dazu in der Lage sind.

Was kann die Gesellschaft tun, um ein Bewusstsein für Gewalt unter der Geburt zu schaffen?

Hier sind einige Schritte, die wir als Gesellschaft unternehmen können:

  1. Sensibilisierung: Bildung und Aufklärung über Gewalt unter der Geburt sind der erste Schritt, um ein Bewusstsein für dieses Problem zu schaffen. Medizinisches Fachpersonal, werdende Eltern und die Gesellschaft insgesamt sollten über respektvolle Geburtspraktiken, die Rechte der Mutter und die Folgen von Gewalt unter der Geburt informiert werden.
  2. Strukturen in der Geburtshilfe verbessern: Erstrebenswert ist eine 1:1 Betreuung der Schwangeren im gesamten Geburtsprozess. Gestresstes Personal aufgrund von Arbeitsüberlastung fördert Gewalt
  3. Förderung der Frauenrechte: Die Stärkung der Rechte und Autonomie von Frauen während der Geburt ist entscheidend. Frauen sollten Zugang zu umfassender und verständlicher Information haben, um informierte Entscheidungen über ihren Geburtsverlauf treffen zu können.
  4. Schulung des medizinischen Fachpersonals: Die Ausbildung von medizinischem Fachpersonal in respektvollen Geburtspraktiken, Kommunikation und Gewaltprävention ist von großer Bedeutung. Ein respektvoller Umgang mit werdenden Müttern und die Einbindung in Entscheidungen sollten Standardpraxis sein.
  5. Unterstützung für betroffene Frauen: Frauen, die Gewalt unter der Geburt erlebt haben, benötigen Unterstützung und Beratung. Es ist wichtig, ihnen einen geschützten Raum zu bieten, in dem sie ihre Erfahrungen teilen können, und ihnen Zugang zu Ressourcen und professioneller Hilfe zu ermöglichen.

Fazit: Für eine respektvolle Geburtsumgebung eintreten

Gewalt unter der Geburt ist eine problematische Praxis, die das Wohlbefinden von Frauen, während eines so bedeutenden Lebensereignisses beeinträchtigen kann. Hier sind Sensibilisierung, Unterstützung und eine Veränderung der Geburtskultur entscheidend, um respektvolle Geburtsumgebungen zu schaffen, in denen Frauen in ihrer Autonomie gestärkt werden und die Erfahrung der Geburt positiv und unterstützend erleben können. Lasst uns gemeinsam dafür eintreten, dass jede Frau eine sichere und respektvolle Geburtsumgebung verdient hat, in der sie mit Würde und Respekt behandelt wird.

Autor: Stephan-Nicolas Kirschner
Bild-Copyright © Jonathan Borba / Unsplash

Quellen:
[1] Psychologische Hochschule Berlin, zitiert nach DER SPIEGEL vom 21.11.2020, S.45, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/gewalt-im-kreisssaal-ich-wollte-nur-noch-sterben-a-00000000-0002-0001-0000-000174103618
[2] Leinweber, J. et al. (2021) Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe – Auswirkungen auf die mütterliche perinatale psychische Gesundheit, De Gruyter, abrufbar unter: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/pubhef-2021-0040/html?lang=de
[3] https://www.spektrum.de/news/traumatische-geburt-auch-vaeter-leiden-unter-den-geschehnissen/2147841

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