Medizinische Fachbegriffe sind oft sehr blumig. Zum Glück versteht man sie meistens nicht, weil sie aus Bausteinen aus der lateinischen und griechischen Sprache zusammengesetzt sind. Übersetzt würden Sie manchmal ziemlich gruselig klingen. Krankheit von giftigen Flüssigkeitstierchen – oder auch harmloser Krankheit von bogenförmigen Tierchen – beide Übersetzungen sind möglich für die gefürchtete Krankheit Toxoplasmose. Toxon ist der Bogen, Toxikon ist das Pfeilgift und Plasma ist eine Flüssigkeit. Auf „Ose“ enden Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden.
Inhaltsverzeichnis
Toxoplasmose – giftige Flüssigkeitstierchen?
Das mit den giftigen Flüssigkeitstierchen trifft es sehr gut, auch wenn die Übersetzung haarscharf daneben ist. Toxoplasma ist ein Parasit und gehört in die Familie der Sarkocystidae. Und das bedeutet „Tiere, die Zysten im Fleisch erzeugen“. Genau das machen Toxoplasmen. Sie bilden dauerhafte Zysten im Gehirn, in der Leber, im Augenhintergrund, in der Muskulatur, in der Darmwand, überall dort, wo die Blutgefäße ganz besonders fein und dicht sind. Die Erreger können die Plazenta durchwandern und landen beim Baby – auch hier bilden sich entzündete Zysten in allen Organen. Befallen die Parasiten Ihr Baby in den ersten Monaten der Schwangerschaft, bringen sie es um. Gelingt ihnen das erst später in der Schwangerschaft, zerstören sie das Gehirn, die Augen, das Gehör, lassen das Baby aber leben.
Im letzten Drittel der Schwangerschaft ist der Organismus des ungeborenen Babys so weit ausgereift, dass es sich gut gegen die Gefahr wehren kann. Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass sich in Deutschland etwa 1.300 ungeborene Babys jedes Jahr mit Toxoplasmen infizieren und dass knapp 350 mit Krankheitssymptomen zur Welt kommen. Mit Symptomen wie einem zu kleinen Gehirn, epileptischen Krampfanfällen, Taubheit, Blindheit, geistiger Behinderung. Oft werden infizierte Kinder aber auch ohne Anzeichen einer Krankheit geboren, entwickeln aber später im Lauf des Lebens noch Hörstörungen oder eine Sehschwäche, die sich nicht durch eine Brille korrigieren lässt. Es ist ganz klar: Vor dieser Krankheit müssen Sie Ihr Baby schützen.
Dafür gibt es mehrere Wege. Um sie zu verstehen, gibt es zuerst ein bisschen Biologie.
Tatorte: Katze, Garten, Schwein
Fangen wir mit der Katze an. In der Darmwand der Katze – und nur in Katzen – bildet der Erreger kleine Bläschen, in denen sich Zellen im Eistadium befinden. Diese Eierbläschen scheidet die Katze mit dem Katzenkot aus. Der gerät in die Erde, von dort werden die Eierbläschen von Vögeln, Mäusen oder anderen Wirbeltieren – zum Beispiel Homo sapiens – aufgenommen, in denen sie sich vermehren und Zysten bilden, in denen tausende Keime ständig latent einsatzbereit bleiben. Wenn die Immunität allmählich zunimmt, gehen die Zysten im Lauf der Zeit ein. Frisst eine junge Katze eine infizierte Maus, beginnt der Kreislauf von vorn.
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Tatort 1 – Katzen
Beim Reinigen der Katzentoilette oder beim Streicheln einer Katze – Katzenliebhaber wissen, wo sich Katzen überall ablecken beim Putzen – kann man sich an den Händen mit diesen Eierbläschen kontaminieren.
Tatort 2 – Garten
Katzen benutzen gern leicht gelockerte Beete im Garten als Toilette. Beim Umgraben von Beeten kann man ebenfalls die Eierbläschen berühren. Da diese „Oozysten“ über mehrere Jahre in der Erde überleben können, ist das ein häufiger Infektionsweg, auch wenn längst keine Katze mehr im Haushalt lebt. In der ländlichen Bevölkerung findet man Toxoplasmosen häufiger als bei Städtern. Logisch. Kein Garten, kein Katzenklobeet.
Tipp: Schwangere, die noch keine Infektion mit Toxoplasmen durchgemacht haben und die noch nicht immun sind (wie häufig das ist, dazu siehe unten), sollten sicherheitshalber keine Katzen anfassen, das Reinigen des Katzenklos anderen überlassen oder nur mit Einmalhandschuhen durchführen. Im Garten hilft das Arbeiten mit Gartenhandschuhen nicht, denn die Eierbläschen können außen an den Handschuhen hängenbleiben und irgendwann dann doch noch ihren Weg in den Mund finden. Verwenden Sie daher Handschuhe, die Sie nach dem Tag mit der Gartenarbeit direkt wegwerfen sollten. Nach der Gartenarbeit und dem Ausziehen und Wegwerfen der Handschuhe müssen Sie sofort sehr gründlich die Hände waschen.
Katzen entwickeln übrigens auch eine Immunität gegen Toxoplasmen. Deshalb sind jüngere Katzen infektiöser als ältere.
Tatort 3 – Schweine
Schweine aber auch Schafe, Ziegen und Geflügel können sich als Zwischenwirte im Lebenszyklus der Toxoplasmen infizieren: In 5 bis zu 12% aller Proben von Schweinefleisch sind Toxoplasmen nachweisbar. Und zwar in Form von Zysten, die vollgefüllt sind mit dem Erreger. Der Verzehr von Fleisch, Wurst und Schinken vom Schwein ist ebenfalls ein häufiger Ursprung für Infektionen.
Tipp: Toxoplasmen sind in allen Entwicklungsstadien empfindlich gegen Hitze. Nach zwei Minuten Erhitzung über 67 Grad sind auch hartnäckige, in Zysten eingekapselte Toxoplasmen vernichtet. Erhitztes Fleisch enthält keine lebenden Toxoplasmen. Aber jedes Fleisch, das Sie unerhitzt essen, ist eine potenzielle Infektionsquelle: Mett, Gehacktes, Tatar, kaltgeräucherte Wurst wie Salami, kaltgeräucherter Schinken. In der Schwangerschaft sollten Sie deshalb grundsätzlich auf diese Fleisch- und Wurstsorten verzichten, wenn keine Immunität gegen die Parasiten besteht.
Alle Küchengeräte, Teller, Messer, Bretter, die mit dem rohen Fleisch oder der kaltgeräucherten Wurst in Kontakt gekommen sind, müssen Sie so heiß wie möglich reinigen, ebenso müssen Sie alle Oberflächen sehr sauber halten und Wischlappen häufig wechseln (das sind auch die Standard-Maßnahmen, um vor anderen Infektionen in der Küche zu schützen, wir werden uns in diesem Blog noch damit befassen). Küchenwäsche und Schürzen sollten Sie häufig bei 60 Grad waschen.
Toxoplasmose–Immunität der Mutter – Kind ist in Sicherheit
Das Beste kommt aber zum Schluss.
Man rechnet, dass mit jedem Lebensjahr etwa 1 Prozent der Bevölkerung eine solche Erkrankung durchmacht. Wenn man eine Toxoplasmen-Infektion durchmacht, bildet man Antikörper, sogenannte Immunglobuline. Diese Immunglobuline befinden sich in geringer Konzentration dann immer im Blut – sicher ist sicher. Man kann sie messen.
Ist man einmal immun, dann kann einem eine spätere, neue Infektion nichts mehr anhaben. Man kann dabei noch unterscheiden zwischen den Langzeit-Antikörpern, IgG genannt, und denen, die bei einer akuten Infektion gebildet werden, IgM.
Frauen, die vor einer Schwangerschaft ihre Immunglobuline messen lassen und dabei IgG-Antikörper haben, aber kaum IgM, sind auf der sicheren Seite: Sie sind wahrscheinlich immun. Wahrscheinlich – ganz sicher kann man nie sein, ob das nicht doch ein akuter Infekt ist. Deshalb sollte nach einigen Wochen noch eine zweite Blutabnahme durchgeführt werden. Hat sich an den Werten der Immunglobuline nichts geändert, dann besteht keine Gefahr mehr, das Immunsystem würde Toxoplasmen effektiv abwehren. Das Kind ist in Sicherheit.
Keine Immunität gegen Toxoplasmose – maximale Schutzmaßnahmen und laufende Kontrollen
Findet man bei dieser ersten Blutabnahme keine Immunglobuline gegen Toxoplasmen, sieht das viel kritischer aus. Hier herrscht jetzt ein echtes und striktes Verbot für alle Toxoplasmose-Quellen. Am besten raus aus dem Haus mit der Katze, vor allem mit jungen Katzen, keine Gartenarbeit oder nur mit Einmalhandschuhen, kein Kontakt mit dem Katzenklo, kein Kontakt mit rohem Fleisch oder roher oder kaltgeräucherter Wurst: Nicht essen, nicht berühren.
Und dann wird alle zwei Monate erneut ein Test auf Antikörper gemacht. Steigen sie an, dann liegt eine akute Infektion vor. Und dann wird in aller Regel sofort eine Behandlung mit sehr wirkungsvollen Antibiotika begonnen, die durch die Plazenta auch bis zum Baby gelangen. Der Test wird natürlich auch dann gemacht, wenn es andere Hinweise für eine akute Infektion gibt, zum Beispiel ein starkes Krankheitsgefühl und eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es einen Kontakt mit Toxoplasmen gegeben haben könnte. Übrigens reicht es nicht, dass die Toxoplasmosen an den Händen kleben – sie müssen schon durch den Mund aufgenommen werden. Händewaschen ist also immer eine gute Option.
Der Test auf Antikörper gegen Toxoplasmose ohne Zeichen einer Infektion ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Viele Krankenversicherungen übernehmen die Kosten aber trotzdem. Es lohnt sich, danach zu fragen.
PS: Das Thema ist ein Dauerbrenner. Wir haben über Toxoplasmose bereits im Jahr 2016 und 2018 geschrieben.
Autorin: Dr. med. Susanna Kramarz
Bild-Copyright © Japheth Mast / unsplash
📅 Letzte Änderung am: 14. März 2023