Nach dem Lockdown immer noch zu Hause, immer noch die eigenen vier Wände als Grenze des Abenteuers? Aber nach und nach sind in den meisten Landkreisen die Baumärkte wieder geöffnet. Wie schön. Baumärkte seien schließlich systemrelevant, hat schon im März der Hauptgeschäftsführer der Baumarktlobby gesagt. Er sprach von Projekten „zur sinnvollen Beschäftigung von Bürgern als Ausgleich für die untersagten Freizeit- und Outdoor-Aktivitäten“. Recht hat er. Wer nach dem Ende der Bundes-Notbremse keine neuen Farben an den Wänden hat, dem ist nicht zu helfen. Aber wie sieht es aus mit dem Renovieren in der Schwangerschaft?
Manchmal soll ein früheres Arbeits- oder Gästezimmer zum Kinderzimmer werden. Oder das ältere Geschwister ist vielleicht dem Schlafen bei Mama und Papa entwachsen. Und soll nun seinen eigenen Raum bekommen und sich dort zu Hause fühlen, bevor der Nachwuchs kommt. Vielleicht soll auch nochmal das Schlafzimmer renoviert werden, bevor das Leben mit dem Baby alles auf den Kopf stellt. Aber halt, um Gottes willen, alles giftig für Mutter und Kind? Na ja, ganz so schlimm ist es nicht, nur ein bisschen. Und das lässt sich in den Griff kriegen.
Es ist nun schon fast 20 Jahre her, dass das Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung dies untersucht hat. Wie wirken sich die Ausdünstungen von Farben – Wand- und Lackfarben -, von frischen Fußbodenbelägen und von Fußbodenklebern auf die Gesundheit aus, wenn die Mutter während der Schwangerschaft mit renoviert oder wenn das Baby in einem frisch renovierten Zimmer wohnt?
Inhaltsverzeichnis
Zu frisch renoviert – Atemprobleme beim Baby
Damals haben die Forscherinnen und Forscher festgestellt, dass Babys häufiger eine pfeifende Atmung haben und häufiger ein Problem mit ihrem Immunsystem, wenn die Mutter in der Schwangerschaft beim Renovieren die Dämpfe von Farben und Klebstoffen eingeatmet hat. Deshalb hat diese Forschergruppe dringend empfohlen, dass Frauen in der Schwangerschaft nicht renovieren sollten, und dass der Zugang zu Räumen, die renoviert werden, mit Folie abgehängt werden sollte. Babys und auch ältere Kinder sollten auf keinen Fall in frisch renovierten Zimmern wohnen und schlafen müssen.
Das Stichwort heißt „Flüchtige organische Verbindungen“ oder VOC (englisch: Volatile Organic Compounds), die häufig als Lösemittel eingesetzt werden. Inzwischen gibt es eine VOC-Verordnung, die den Einsatz von Lösemitteln in Farben und Lacken sehr einschränkt.
Klebstoffe von Fußböden sind besonders problematisch
Aber das Problem ist nicht aus der Welt. Im Jahr 2014 hat dieselbe Forschergruppe gemeldet, dass Atemprobleme bei Babys häufiger sind, wenn in der Wohnung kürzlich neue Fußböden verlegt wurden. Die Probleme mit der Atmung traten vor allem auf, wenn die Babys ohnehin eine Atemwegserkrankung hatten oder wenn in der Familie eine allergische Belastung bestand. Durch neue Auslegware und die Klebstoffe, die dabei verwendet werden, wird die Luft mit flüchtigen Lösemitteln angereichert, und durch die Imprägnierung von Teppich-Auslegware aus Wolle gegen Schimmel und Schädlinge wird die Luft zusätzlich belastet.
Räume mit frisch verlegten Fußböden sind also kein guter Ort, an dem man sich lange aufhalten sollte. Nicht Erwachsene, nicht Schwangere und erst recht nicht Kinder und Säuglinge.
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Genug Zeit einplanen vor dem Einzug
Das bedeutet, wenn beim Renovieren von Zimmern, in denen sich später das Baby oder auch seine älteren Geschwister aufhalten sollen, ein neuer Boden verlegt werden soll, dass danach vor dem Einzug sehr viel Zeit eingeplant werden sollte. Gern auch mehrere Wochen, damit die Ausdünstungen bei offenem Fenster gründlich verfliegen können.
Farben sollten frei von Lösemitteln sein
Was Farben angeht, so hat eine EU-weite Verordnung, die den Höchstgehalt von VOCs in Farben regelt, in den letzten Jahren zu vielen Verbesserungen geführt. Farben und Lacke „riechen“ heute viel weniger als früher, und das ist ein sehr gutes Zeichen. Wenn es darum geht, dass das Baby und seine Geschwister zu Hause möglichst eine unbelastete Luft einatmen sollen, dann kann als Faustregel heute gelten: Wenn genug Zeit vergangen ist, dass Sie als Erwachsene die Farben, Lacke und Klebstoffe gar nicht mehr riechen können, geben Sie bei guter Lüftung sicherheitshalber nochmal ein paar Wochen dazu, und dann sollten Kinder in dem Zimmer schlafen oder auch sich tagsüber länger aufhalten können.
Auch wenn die normalen Baumarkt-Farben heute schon viel ungiftiger sind als vor 20 Jahren, ist es vielleicht trotzdem eine Überlegung wert, mindestens fürs Kinderzimmer Farben zu verwenden, die ganz ohne VOCs auskommen. „Lösemittelfrei“ wäre dafür das Stichwort. Das müssen nicht gleich Lehmfarben zu Höchstpreisen sein, aber ein bisschen teurer sind solche Farben schon.
Aber zurück zu unserem Thema, wie sieht es aus mit dem Renovieren in der Schwangerschaft? Ist das nun möglich, ohne Gefahren?
Beim Streichen alle Fenster öffnen, auch über Nacht
Im Prinzip ja, wenn die Schwangere nicht zu lange im Farbendunst steht. Beim Streichen sollten – wenn irgend möglich – alle Fenster weit geöffnet sein, und gern auch über Nacht mindestens gekippt. Schwangere haben meistens sowieso einen sehr stark verfeinerten Geruchssinn – ein Schutz auch für das Baby, weil dadurch Feuer, Fäulnis, schlechte Lebensmittel viel empfindlicher wahrgenommen werden. Wenn die werdende Mama also meint, dass die Farben stark riechen, oder wenn ihr davon schlecht wird, dann sollte das als ein Zeichen genommen werden, dass es wirklich zu viel ist, was da in der Atemluft herumfliegt. Noch mehr lüften, noch weniger in dem renovierten Zimmer aufhalten, mit noch kürzeren Arbeits- und längeren Pausen-Etappen planen wäre dann die richtige Maßnahme.
Fürs Renovieren mehr Zeit einplanen
Es kann sein, dass das Renovieren deshalb länger dauert. Das bedeutet also, dass das Wichtigste beim Renovieren während der Schwangerschaft ist, früh genug anzufangen. Ohnehin wäre es eine schlechte Idee, in der 38. Woche mit dem Farbeimer auf die Leiter zu steigen. Wenn die Leiter dann umkippen würde, wäre es egal, ob die Farbe, die sich über den Boden verkleckert, ein hundertprozentiges öko-bio-veganes Naturprodukt wäre.
Und zuletzt noch eine gute Nachricht. Eine dänische Untersuchungsgruppe hat 19.000 Mütter rund um die 30. Schwangerschaftswoche herum abtelefoniert und gefragt, ob sie während der Schwangerschaft renoviert haben oder das noch planen würden. Und später wurde dann untersucht, ob diese Frauen vielleicht häufiger Frühgeburten oder andere Komplikationen bekommen haben, oder ob die Kinder kränker waren. Aber das Gegenteil war der Fall. Die Schwangerschaften dauerten in beiden Gruppen gleich lange. Es gab gleich viele oder wenige Komplikationen bei den Müttern und bei den Kindern. Wenn das nichts ist.
Was beim Umzug in der Schwangerschaft zu beachten ist, haben wir schon in einem Blogbeitrag aus dem Jahr 2016 beleuchtet.
Autorin: Dr. med. Susanna Kramarz
Bild-Copyright © Roselyn Tirado / unsplash
📅 Letzte Änderung am: 14. März 2023