Um im Baby-Care-Blog über Alkohol zu schreiben, haben wir das Thema geteilt. Denn es gibt die eine Situation und die andere. Beide sind völlig unterschiedlich.
Die eine Situation ist die: Alkohol ist jeden Tag dabei. Niemand ahnt wirklich, wieviel die werdende Mama trinkt, außer ihr selbst. Sie hat längst von ihrer Frauenärztin und auch von anderen gehört oder gelesen, dass sie Ihrem Baby mit Ihrer Trinkerei einen lebenslangen Schaden zufügen wird. Sie hat versucht den Alkohol zu reduzieren oder wegzulassen, aber es geht nicht. Der Alltag ist zu schrecklich, um ihn ohne Ihren Stoff zu ertragen – ganz egal ob sie das Bier aus der Flasche trinkt oder den Sekt zum Frühstück aus einem geschliffenen Designerglas.
Die andere Situation ist die: Die schwangere glücklich werdende Mutter lebt eigentlich ganz gut ohne Alkohol. Nur ab und zu, beim Essen zusammen mit Freunden, bei einem netten Sonntagsfrühstück, auf einer Party gibt es ein oder zwei Gläser Bier, Wein, Sekt. Das kann ja nicht schaden, oder?
» zu Teil 2 hier entlang
Inhaltsverzeichnis
Sie lesen hier Teil 1 – Alkohol – das eine Glas …
Und wie immer das Wichtigste zuerst. Ja, es kann sein, dass mit ein, zwei Gläsern Wein am Samstagabend das Gehirn des Babys keinen Schaden nimmt. Es wird schon nichts Schlimmes passieren, denken alle. Ja, es ist richtig, von zwei Gläsern Wein fällt dem Baby kein Bein ab. Aber vielleicht wäre das dem Kind, wenn es später als Erwachsener überblickt, woher seine Schwierigkeiten kommen, sogar lieber. Das Problem ist, dass man sich unter „Lernschwierigkeiten“ oder „eingeschränkter Alltagsbewältigung“, Folgen eines mäßigen Alkoholkonsums in der Schwangerschaft, meist nichts Konkretes vorstellen kann.
Deshalb seien hier[1] Ausschnitte aus einem sehr beklemmenden Ratgeber für Kinder und Jugendliche zitiert, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommen, nicht zurechtkommen können, weil der Alkohol, den ihre Mutter während der Schwangerschaft getrunken hat, ihre Fähigkeiten beschädigt hat zu denken, zu lernen und sich sozial zu verhalten.
Wie sehen dich andere Menschen?
Vielleicht siehst du genauso aus wie andere Jugendliche oder junge Erwachsene auch. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht sagen dir aber auch manche Menschen, dass du ein Problem hast. Oder du hast das Gefühl, dass sie dich, dein Verhalten oder deine Worte nicht richtig verstehen. Vielleicht verärgern oder verwirren dich deine Lehrer, deine Ausbilder oder deine Familie manchmal? Vielleicht geben die Leute immer wieder dir die Schuld für bestimmte Dinge?
Hast du in der Schule oder bei der Arbeit manchmal Schwierigkeiten,
■ deine Hausaufgaben zu erledigen
■ still zu sitzen
■ pünktlich zu sein
■ Dinge zu verstehen
■ die Wahrheit zu sagen?
Hast du Schwierigkeiten, deine Hausaufgaben zu machen?
Für deine Lehrer sieht es vielleicht so aus, als wärst du:
■ faul oder
■ verantwortungslos
Für dich sieht die Situation vielleicht so aus:
■ Du hast die Hausaufgaben gar nicht verstanden
■ In der Schule hast du gedacht, dass du die Hausaufgaben schaffst. Aber zu Hause war es dann doch schwerer.
■ Du hast vergessen, welche Hausaufgaben du aufbekommen hast.
■ Es ist dir peinlich oder du hast Angst, jemanden um Hilfe zu bitten.
■ Du weißt gar nicht, wonach du fragen sollst.
■ Du machst Dinge, die dich interessieren, aber nicht die Hausaufgaben.
Hast du Schwierigkeiten, still zu sitzen und an deinem Platz zu bleiben?
Für deine Lehrer sieht es vielleicht so aus, als
■ störst du die anderen Schüler absichtlich
■ machst du das, damit du mehr Aufmerksamkeit bekommst.
Für dich sieht die Situation vielleicht so aus:
■ Es fällt dir sehr schwer, dich auf eine Sache länger zu konzentrieren.
■ Du bist mit der Menge der Informationen im Unterricht überfordert und brauchst eine Pause.
■ Du brauchst Möglichkeiten, deine Energie loszuwerden.
■ Du fühlst dich besser, wenn du dich bewegst.
Hast du Schwierigkeiten, ehrlich zu sein?
Könnten andere Menschen denken, dass
■ du lügst und unehrlich bist
■ etwas absichtlich anders machst?
Für dich sieht die Situation vielleicht so aus:
■ Du kannst dich nicht an alles erinnern, was passiert ist.
■ Manchmal bringst du alles durcheinander: Dann vermischst du, was du gehört und getan hast oder was du im Fernsehen oder auf DVD gesehen hast.
■ Du sagst einfach das, was andere von dir gern hören wollen.
■ Wenn eine Situation für dich unangenehm ist, dann sagst du einfach etwas, damit sie wieder angenehm wird.
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Die Polizei und du
Bitte beantworte dazu die folgenden Fragen. Wenn du eine dieser Fragen mit Ja beantwortest und FASD hast, dann trage immer eine Informationskarte bei dir, die du der Polizei zeigen kannst:
• Hattest du schon einmal Probleme mit der Polizei?
• Bist du schon einmal verhaftet worden?
• Hast du schon einmal ein Verbrechen gestanden, das du gar nicht begangen hast?
• Hast du schon einmal gesagt, du würdest deine Rechte verstehen, aber eigentlich hast du sie nicht verstanden?
• Bist du schon einmal in Panik geraten und vor der Polizei weggerannt?
Was ist eine Informationskarte für die Polizei?
Die Informationen dieser Karte erklären den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei, was FASD bedeutet. Wenn die Polizei weiß, dass du FASD hast, muss sie so schnell wie möglich eine Person anrufen, die dir helfen kann. Fülle die Informationskarte aus und mach dir mehrere Kopien davon. Dann kannst du sie in Notfallsituationen vorzeigen. Wenn die Polizei dich anhält, bleibe ruhig. Überreiche deine Karte und bitte die Polizeibeamten, deine Bezugsperson anzurufen, wenn es Probleme gibt.
Informationskarte FASD für die Polizei
MEDIZINISCHE INFORMATIONEN für die POLIZEI
Ich habe FASD: Fetale Alkoholspektrumstörung. Das ist eine Schädigung des Gehirns, die nicht sichtbar ist. Deshalb kann ich Sie vielleicht nicht richtig verstehen.
Bitte nehmen Sie unbedingt Kontakt zu meiner Bezugsperson auf. Die Adresse und Telefonnummer steht auf der Rückseite. Danke.
Bitte nehmen Sie mit ______________________ Kontakt auf.
Ab und zu ein Glas Wein, Sekt, Bier und dann dieses Resultat?
Eine Tochter oder ein Sohn, die oder der Tag für Tag Schwierigkeiten hat, ihren und seinen Alltag zu bewältigen. Ein Kind, das jeden Tag jede Routine aufs Neue erklärt bekommen muss, ein Kind, das auch beim Älterwerden keine Geduld beim Lernen und beim Spielen entwickeln kann, auf alltägliche Frustrationen und Zurückweisungen unbeherrschbar reagiert, seinerseits aber auch immer wieder gemobbt wird. Ein verhaltensauffälliges Problemkind, das über Jahre und Jahrzehnte alle Energie der Eltern verbrennen wird, um ein halbwegs geordnetes Leben auf die Reihe zu bekommen. Ein Kind, dessen Gehirn während seiner grundlegenden Entwicklung immer wieder mit einem kleinen Schwapps Genuss-Alkohol geflutet wurde. Manche Gehirne überstehen das ohne Schaden. Andere nicht.
Ist es das wert?
Autorin: Dr. med. Susanna Kramarz
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Liste von guten Informationsquellen rund um die Schäden, die Alkohol am Gehirn des Babys anrichten kann:
Alkohol in der Schwangerschaft: Ausgrenzung erkrankter Kinder (BR24)
FASD Deutschland e.V. | Was ist FASD? (fasd-deutschland.de)
[1] Mit freundlicher Genehmigung der Autorin Gela Beck, Evangelisches Kinderheim Sonnenhof e.V. in Berlin.
Der Ratgeber „Fetale Alkoholspektrumstörung – und dann? Ein Handbuch für Jugendliche und junge Erwachsene“ ist auf der Homepage der Drogenbeauftragten der Bundesregierung als Download erhältlich. Die Druckversion ist vergriffen.
📅 Letzte Änderung am: 23. September 2024