Monatelang richten Sie Ihre ganze Planung auf den Tag X aus. Den ET, den Entbindungs-Termin. Und dann wollen und wollen die Wehen nicht beginnen. Ist der Geburtstermin überschritten – zwei Tage, drei Tage über dem Termin – sollen Sie nun entspannt bleiben oder lieber jeden Tag zur Untersuchung in die Praxis fahren?
Oder haben Sie sich vielleicht doch ganz am Anfang vertan, und ist das Baby jünger als gedacht? Der Termin für die Entbindung wird errechnet, indem man vom ersten Tag der letzten Regelblutung aus 280 Tage weiterzählt. Sechs Wochen vor diesem errechneten Geburtstermin beginnt der Mutterschutz. Sich aus Versehen ein wenig zu verrechnen und den ersten Tag der letzten Regelblutung früher anzusetzen, als er eigentlich war, das verschafft einen früheren Beginn des Mutterschutzes. Aber auch der Entbindungstermin würde dann früher angesetzt, und die Ärztinnen, Ärzte und Hebammen in Klinik und Praxis würden früher anfangen, sich Sorgen zu machen und über eine Geburtseinleitung zu sprechen.
Aber nein, alle diese Überlegungen sind eigentlich hinfällig. Denn das Wachstum des Babys folgt vorwiegend in den ersten Wochen einem sehr engen Zeitplan: Der Zeitpunkt, wann der erste Herzschlag im Ultraschall zu sehen ist, wann die Hände und Füße, das Gehirn und wann die Fruchthöhle wie viele Millimeter im Durchmesser misst, das folgt einer absolut festgelegten Gesetzmäßigkeit. Störungen und Verzögerungen des Wachstums machen sich erst im Lauf der späteren Schwangerschaft bemerkbar, nicht in den ersten Wochen.
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Verrechnen ist heute fast nicht mehr möglich
Mit den frühen Ultraschall-Untersuchungen kann man also zwar nicht ganz genau den Tag festlegen, an dem die Befruchtung passiert ist. Aber die Woche kann man schon ganz gut schätzen, und ganz bestimmt den Monat. Sich um einen ganzen Zyklus zu vertippen, so wie das früher immer mal wieder vorgekommen ist, das passiert in Deutschland nicht mehr.
Ein paar Tage verspätet – erst mal kein Grund zur Unruhe
Springen wir also vom Anfang der Schwangerschaft neun Monate weiter bis zum Ende. Der Entbindungstermin ist gekommen, er ist verstrichen, aber es möchten einfach keine Wehen auftreten. Das ist für einige Tage kein Grund zur Aufregung. Trotzdem ist das Baby jetzt eigentlich groß und reif genug, um zur Welt zu kommen, und es wächst weiter. Auch wenn sich die Gebärmutter vielleicht noch ein wenig dehnen kann, gibt es allmählich einen Engpass in der Versorgung. Durch die Plazenta und die Nabelschnur wird das Baby mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Und die Plazenta ist nicht darauf eingestellt, den immer weiter steigenden Bedarf bis in alle Zeiten zu decken.
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Geburtstermin überschritten: Bekommt das Baby noch genug Sauerstoff?
Bei Babys, die lange über den Geburtstermin hinaus übertragen werden, steigt deshalb die Gefahr für einen Sauerstoffmangel. Die zu knappe Versorgung an Sauerstoff kann innerhalb kurzer Zeit das Gehirn schädigen. Deshalb muss man die Frühzeichen unbedingt erkennen. Denn keine Mama will wegen ein paar Tagen, in denen sie zu lange entspannt auf die Wehen gewartet hat, am Ende ein Baby mit einem geschädigten Gehirn zur Welt bringen.
Die Herztöne zeigen, wie es dem Baby geht
Es gibt einige sehr typische Anzeichen dafür, dass das Baby einen solchen Sauerstoff-Stress hat. Das eine ist seine Herz-Aktion. Bei einem gesunden Baby schlägt das Herz zügig mit etwa 120 bis 140 Schlägen pro Minute. Die Herzfrequenz steigt an, wenn eine Wehe kommt, und fällt danach wieder ab. Sie steigt, wenn das Baby strampelt oder wenn es wach ist, und sie sinkt, wenn es schläft. Ein deutlich zu schneller Herzschlag über 160 Schlägen pro Minute ist kein gutes Zeichen. Und besonders kritisch ist es, wenn in den Vorwehen die Geschwindigkeit des Herzschlags abnimmt oder wenn der Herzschlag insgesamt langsamer ist als 110 pro Minute. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Steuerung des Herzschlags durch das Gehirn nicht mehr richtig funktioniert.
Schlechte Blutversorgung, grünes Fruchtwasser? Keine Zeit zum Warten
Mit dem Doppler-Ultraschall kann die Frauenärztin oder der Frauenarzt zusätzlich überprüfen, ob der Blutfluss zum Baby und vom Baby zurück ausreichend ist und ob das Gehirn ausreichend durchblutet ist.
Es gibt noch ein weiteres Zeichen dafür, dass das Baby beginnt, um sein Überleben zu kämpfen: Das Baby trinkt während der ganzen Schwangerschaft Fruchtwasser und scheidet die Flüssigkeit über seine Nieren und seine Harnblase wieder aus. Im Darm des sammelt sich aber auch schon im Lauf der Schwangerschaft eine Menge an Abfallstoffen, die eigentlich als Stuhlgang ausgeschieden werden müssen. Das Baby wartet normalerweise damit, bis es auf der Welt ist. Der erste Stuhlgang ist immer sehr konzentriert und fast schwarz, das „Kindspech“. Wenn das Baby Sauerstoffmangel hat, dann zieht sich die Darmmuskulatur schon vor der Geburt zusammen und beginnt, den Darminhalt, Mekonium genannt, ins Fruchtwasser hinein zu entleeren. Das Fruchtwasser sieht dann grünlich aus und später auch dunkel, fast schwarz.
Spätestens dann, wenn sich das Fruchtwasser beginnt zu verfärben, ist Schluss mit dem entspannten Abwarten. Es gibt dann zwei Möglichkeiten: Entweder es wird mit möglichst niedrig dosierten, Wehen fördernden Arzneimitteln versucht, die Geburt einzuleiten. Oder es wird ein Kaiserschnitt durchgeführt.
Geburtstermin überschritten: Alle zwei bis drei Tage in die Praxis
Die Empfehlung, nach der sich alle Frauenärztinnen und Ärzte und alle Hebammen in Deutschland richten sollten, lautet folgendermaßen:
Nach dem Entbindungstermin (ET) sollte die Schwangere alle zwei bis drei Tage in die Praxis kommen. Dabei wird ein CTG aufgezeichnet, das die Herztöne des Babys misst und seine Veränderungen, wenn Wehen auftreten. Außerdem wird per Doppler-Ultraschall untersucht, ob der Blutfluss durch die Nabelschnur zum Baby noch gut und ausreichend ist. Im Ultraschall kann man zudem manchmal sehen, ob sich im Fruchtwasser Zeichen für einen Abgang von Mekonium darin finden. Wichtig ist auch die Frage, wie fest verschlossen der Muttermund noch ist, denn bei einem ganz fest verschlossenen Muttermund haben Medikamente zur Weheneinleitung keine guten Chancen.
Eine Woche nach ET wird es Zeit…
Eine Woche, nachdem der Geburtstermin überschritten ist, wird es ernst. Jetzt sagen die Leitlinien und alle internationale Erfahrung, dass es Zeit wird, die Schwangerschaft zu beenden. Denn jetzt steigt das Risiko, dass das Baby in den letzten Tagen in der Gebärmutter doch noch einen Schaden nimmt. Allerspätestens am Ende der 42. Woche, also zwei Wochen nach dem errechneten Termin, ist Schluss. Jetzt unbedingt muss das Baby geholt werden.
Geburtstermin überschritten: Geburt einleiten oder Kaiserschnitt?
Es gibt ein Problem bei Geburten, die medikamentös eingeleitet werden. Wir werden darauf in einem anderen Blogbeitrag noch eingehen. Man kann vorher nur ungefähr schätzen, wie hoch die Medikamente dosiert werden müssen. Ist die Dosis zu niedrig, passiert gar nichts. Wird sie zu hoch angesetzt, dann kann es zu sehr schmerzhaften, sehr starken und anhaltenden Wehen kommen. Der Grat zwischen den beiden Polen ist sehr schmal, und er ist nur sehr schwer vorhersehbar. Es gibt zudem einige Konstellationen, bei denen die Aussichten nicht gut stehen, dass die natürliche Geburt nach einer Geburtseinleitung klappt:
Bei einem deutlichen Übergewicht muss der Versuch häufiger abgebrochen werden als bei Frauen mit Normalgewicht. Das Gleiche gilt, wenn das Baby sehr groß ist oder wenn ein Kaiserschnitt vorangegangen ist. Auch wenn der Muttermund beim Beginn des medikamentösen Versuchs noch komplett fest verschlossen ist, kann es sein, dass eine Geburt per Einleitung zu schmerzhaft und zu anstrengend würde. In diesen Fällen kann es sich empfehlen, von vornherein einen Kaiserschnitt zu planen.
Hauptsache, beide sind danach gesund
Wir werden dazu an anderer Stelle in diesem Blog noch vieles schreiben. Aber eines ist klar: Glücklich oder unglücklich wird Ihr Baby nicht dadurch, dass es durch Ihre Vagina oder durch die Bauchdecke hindurch geboren wurde. Auch die Frage, ob ein Kaiserschnitt oder eine natürliche Geburt fürs Baby gesünder oder auch ungesünder sind, ist längst beantwortet: Gesund ist diejenige Geburtsvariante, bei der das Baby am Ende ohne Schaden in seinem Bettchen liegt. Und für seine lebenslange Gesundheit ist es wichtiger, dass zu Hause nicht geraucht wird, dass es alle Impfungen bekommt und genug Liebe, Pflege, Ruhe und Schlaf.
Auch für Sie als Mama ist diejenige Geburt die beste, aus der Sie eine gute Erinnerung mitnehmen. Es ist ein Mythos, den sich nur Männer ausgedacht haben können, dass die Geburt der größte Orgasmus im Leben einer Frau sei. Geburt ist extrem hart, ist Schmerzen und Schreien und Erschöpfung. Und eingeleitete Geburten können noch mal anstrengender sein. Es ist nicht gesagt, dass das immer die beste Variante ist.
Autorin: Dr. med. Susanna Kramarz
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📅 Letzte Änderung am: 18. September 2024