Geburtseinleitung: Studie alarmiert unnötig

Die Autorinnen der niederländischen Studie fanden heraus, dass die Kinder, die nach einer Geburtseinleitung geboren worden waren, im 12. Lebensjahr minimal schlechtere Schulnoten hatten als die Kinder, die spontan geboren wurden.

Vor Kurzem ging eine Alarmmeldung durch die Medien: Kinder von Müttern mit einem hohen Schulabschluss sind in der Schule im Durchschnitt erfolgreicher als Kinder von Müttern mit einem niedrigen Schulabschluss. Die Nachricht kam aus den Niederlanden, und sie kam nicht aus der Schulpolitik, sondern – große Überraschung – aus einer geburtshilflichen Klinik.

Studie zur Geburtseinleitung in den Niederlanden

Es ging um eine riesengroße Untersuchung, es wurden die Daten von über 200.000 Geburten in den Niederlanden ausgewertet. (1) Eigentlich war nach etwas anderem gesucht worden: In den Niederlanden wird bei jeder vierten Geburt eine medikamentöse Geburtseinleitung verwendet. In fast 40 % wird dies getan, obwohl es dafür keine medizinische Begründung gibt.

In Deutschland wird eine Geburt jedenfalls nur dann eingeleitet, wenn es dringende Gründe dafür gibt; es gibt eine aktuelle Leitlinie, die das deutlich festgelegt hat. Das kann etwa der Fall sein, wenn auch noch eine Woche nach Verstreichen des errechneten Geburtstermins keine Wehen auftreten und es riskant für das Baby wäre, noch länger zuzuwarten. Oder wenn die Herztöne des Babys schlechter werden und anzeigen, dass ein Sauerstoffmangel droht, wenn die Geburt nicht bald beginnt.

Schlechtere Schulnoten bei Kindern mit Geburtseinleitung?

Die Autorinnen der niederländischen Studie fanden heraus, dass die Kinder, die nach einer Geburtseinleitung geboren worden waren, im 12. Lebensjahr minimal schlechtere Schulnoten hatten als die Kinder, die spontan geboren wurden. Dabei handelt es sich um einen Durchschnitt. Es kann also sein, dass 95 % der Kinder nach einer Geburtseinleitung keinerlei Schulschwierigkeiten haben, aber 5 % immerhin so viel, dass es in der Gesamtstatistik auffällt.

Es wurden einige Vermutungen darüber angestellt, was der Grund sein könnte. Wurden die Geburten vielleicht zu früh eingeleitet, und die Kinder waren mit ihrer Entwicklung in der Gebärmutter noch gar nicht fertig? Von Kindern, die als Frühgeborene zur Welt kommen, weiß man sehr genau, dass sie über lange Zeit Entwicklungsstörungen und -verzögerungen haben, auch bis in die Schulzeit hinein. Gibt es also ein solches Phänomen auch bei zu frühen Geburtseinleitungen? Oder kann es an den verwendeten Arzneimitteln liegen?

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Schulerfolg ist abhängig vom familiären Umfeld

Die Antwort scheint viel einfacher zu sein: Schon den Autorinnen der Untersuchung selbst war ein wichtiger Unterschied aufgefallen, und zwar bei den Frauen selbst. Unter den Frauen, bei denen eine Geburt eingeleitet wurde, ohne dass es dafür eine medizinische Begründung gab, waren viel mehr Frauen mit einer geringen Schulbildung. Wurde dieser Faktor in die Berechnungen einbezogen, dann waren die Unterschiede in der Schulbildung kaum noch vorhanden.

Es könnte also bedeuten, dass Frauen mit einer höheren Schulbildung sich vor der Geburt gut belesen haben. Dadurch lassen sie sich seltener dazu drängen, die Geburt durch Medikamente einzuleiten – jedenfalls, solange es keinen medizinischen Grund dafür gibt. Mit größter Wahrscheinlichkeit hat also die Geburtseinleitung überhaupt nichts mit der späteren Intelligenz der Kinder zu tun.

Sondern es wurden einfach nur Mütter, die sich um sich und um das Baby mit ausreichendem Wissen kümmern und Entscheidungen treffen, verglichen mit solchen, die das nicht mit dieser Sorgfalt tun. Dass eine solche grundsätzliche Einstellung später auch das Aufwachsen der Kinder beeinflusst und damit auch den Schulerfolg, das ist gar keine Frage. Denn Schulerfolg ist ja nicht eine von allen Einflüssen unabhängige Gehirnleistung. Schulerfolg ist abhängig von einer positiven Lebenseinstellung, Einsatzbereitschaft, Fleiß, Zuverlässigkeit, gesunder Ernährung, körperlicher Bewegung, viel Schlaf und natürlich auch von der Unterstützung zu Hause. Eine Katze, die sich in den Schwanz beißt und eine Alarmmeldung, die keine war.

Sollte also bei Ihnen rund um den Geburtstermin eine Situation auftreten, in der eine Geburtseinleitung sinnvoll erscheint, um gesundheitliche Risiken für Sie oder das Kind abzuwenden, dann lassen Sie sich auf das Gespräch ein. Für die Schulerfolge Ihres Babys sind ganz andere Dinge entscheidend.

Alarmmeldungen kritisch hinterfragen – Beispiel Paracetamol

Genau solche unnötigen Alarmmeldungen kommen auch immer wieder aus den USA, und zwar in Bezug auf Paracetamol: Paracetamol in der Schwangerschaft solle die Intelligenz der Kinder nachhaltig beeinträchtigen. Tatsächlich gibt es dafür sehr deutliche Hinweise, dass Kinder schlechtere schulische Leistungen haben, wenn die Mutter in der Schwangerschaft Paracetamol verwendet hat. Aber Achtung, bitte weiterlesen!

Es geht bei solchen Untersuchungen immer um eine wochenlange und hoch dosierte Einnahme von Paracetamol, in aller Regel ohne eine ärztliche Betreuung. Eine solch ausufernde Verwendung von Schmerzmitteln ist in Deutschland unüblich. Es könnte sich um Frauen handeln, die sich eine regelmäßige ärztliche Betreuung nicht leisten können, weil die Gesundheitsvorsorge in den USA deutlich schlechter und teurer ist als bei uns. Es könnte sich um Schwangere handeln mit Kopf- oder Rückenschmerzen, die sich nicht krankschreiben lassen können, weil sie Angst vor einer Kündigung haben. Die einfach nur irgendwie funktionieren wollen und sich wenig Gedanken darüber machen können, ob sie ihrer eigenen Gesundheit mit diesem Verhalten schaden.

Die Erste, die unter dieser Situation leidet, ist also die werdende Mama selbst. Und wenn das Baby dann erst einmal da ist, wird der Stress sicher nicht weniger – die Angst, die Arbeit zu verlieren, erst recht keine Zeit zum Arzt zu gehen, Schmerzmittelkonsum, um weiter zu funktionieren. Vielleicht werden dann dieselben Entscheidungen auch getroffen, wenn das Baby krank wird – Fiebermittel statt Auskurieren, Schmerzmittel statt Ursachensuche, Funktionieren statt zur Ruhe kommen. Das alles zusammen genommen, ist keine gute Grundlage, um gesund aufzuwachsen.

Keine der vielen Studien zu Paracetamol in der Schwangerschaft und Auswirkungen auf die Kinder, die ich in all den vergangenen Jahren gelesen habe, hat diese Fragen überhaupt nur gestellt. Paracetamol gehört, zur Überbrückung bei Fieber oder Schmerzen kurzfristig angewendet, zu den Arzneimitteln, die in der Schwangerschaft bedenkenlos verwendet werden können.

Haben Sie Fragen zu anderen Arzneimitteln? Haben Sie etwas über Gefahren in der Schwangerschaft gelesen und machen sich Sorgen? Schreiben Sie uns. Wir nehmen Ihre Themen auf.

Ihre
Dr. med. Susanna Kramarz

Autorin: Dr. med. Susanna Kramarz
Bild-Copyright © Ben White / Unsplash

(1) Burger R, Mol BW, Ganzevoort W, et al.: Offspring school performance at age 12 after induction of labor vs non-intervention at term: A linked cohort study. Acta Obstet Gynecol Scand 2023 Apr;102(4):486-495. doi: 10.1111/aogs.14520. Epub 2023 Feb 22.

📅 Letzte Änderung am: 5. Mai 2023

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