Vier von fünf ungeborenen Babys sind nicht vor der Grippe geschützt. Diese Zahl stammt aus dem vergangenen Winter 2021/2022. Nur jede fünfte werdende Mama hat sich im vergangenen Winter eine Grippeimpfung geben lassen. Die große Grippewelle blieb dann zwar aus, weil Lockdown, Abstand, FFP2-Masken, Hygieneregeln nicht nur die Ansteckung mit SARS-CoV2 verhindert haben, sondern auch mit allen anderen Erkältungs- und Hustenviren.
Im kommenden Winter 2022/2023 sieht das jetzt aber anders aus. Weil die meisten Menschen inzwischen gegen COVID-19 geimpft sind oder sich mehrfach angesteckt haben, verliert die Pandemie allmählich ihren Schrecken. Ob wir damit falsch liegen, das wird sich zeigen, niemand kann das vorhersehen.
Was wir aber vorhersehen können, das ist, dass wir alle sicherlich häufig und heftig mit allen möglichen Erkältungskrankheiten zu tun haben werden. Denn unser Immunsystem ist in den vergangenen Jahren ein wenig eingeschlafen und hat verlernt, ruckzuck mit ein paar hundert oder tausend Viren auf unseren Nasen- und Bronchialschleimhäuten kurzen Prozess zu machen. Daher ist die Grippeimpfung wichtig.
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Erkältungsviren lieben es kühl und feucht
Übrigens, immer gibt es ja die Frage, warum nun gerade im Winter diese Infektionen so zunehmen. Machen wir einen kleinen Schlenker. Die Rhinoviren zum Beispiel (rhinos bedeutet auf Griechisch „Nase“) mögen es gern kühl und feucht. Oberhalb von 33 Grad schwächeln sie, ab 34 Grad sterben sie ab. Sie können sich also stunden- und tagelang in kalter Luft am Leben halten.
Dabei empfinden sie es als wunderbar, sich in unseren kalten, feuchten Novembernasen einzunisten. Denn die Luft erwärmt sich zwar beim Einatmen und kommt mit fast 37 Grad in den Bronchien an. Aber im vorderen Nasenbereich ist es zunächst mal nicht viel wärmer als es der Außentemperatur entspricht. Deshalb können die Rhinoviren sich auch nur in der Nase vermehren: In der Luftröhre wäre es ihnen viel zu warm.
Influenza in den Bronchien – wie ein Horrorfilm
Das Influenzavirus dagegen trocknet bei Sommertemperaturen von 20 Grad innerhalb weniger Stunden ein. Bei null Grad dagegen ist es fast unbegrenzt haltbar. Es vermehrt sich dann zwar nicht, stirbt aber auch nicht ab. Vermehren kann es sich nur, wenn es warm und feucht genug ist, am besten über 36 Grad.
Weil das Virus unbedingt Feuchtigkeit braucht, nistet es sich auch nicht einfach auf der normalen Haut ein. Sondern es taucht in die warme Schleimschicht ein, die unsere Atemwege auskleidet. Hier lässt es sich durch die feinen Flimmerhärchen, die die Luftröhre und die Bronchien schützen, hindurchgleiten, bis es auf der 37 Grad warmen, feinen, ungeschützten Zellschicht ankommt. Dann verschmilzt es seine eigene Hülle mit der Außenmembran der Zellen und verschafft sich so Zutritt in die Zellen selbst.
In den Zellen angekommen programmiert das Virus den ganzen Stoffwechsel der Zelle um, ein wenig wie in einem Trash-Horrorfilm. Innerhalb von sechs Stunden produziert eine einzelne, infizierte Zelle bis zu 20.000 neue Influenzaviren. Am Ende dieser Tortur geht die Zelle zugrunde und entlässt die Viren, die sich sofort in den Nachbarzellen erneut einnisten und diese ebenfalls zerstören. Innerhalb eines Tages können so rein rechnerisch aus einem einzelnen Influenzavirus 8000 Milliarden Viren entstehen. Die Schleimhaut von Luftröhre und Bronchien ist in kürzester Zeit nur noch eine einzige Verwüstung an zugrunde gegangenen Zellen und hungrigen jungen Viren.
Ganz massiv wird dadurch die körpereigene Abwehr alarmiert, die sich – so gut sie kann – daran macht, die Viren zu bekämpfen und die Milliarden an toten Zellen abzuräumen. Das Immunsystem weiß natürlich aus der Erfahrung von Millionen von Jahren, dass zusätzlich eine Erhöhung der Körpertemperatur eines der sichersten Mittel ist, Krankheitserreger zu bekämpfen: Ab einer Temperatur von 39 Grad beginnen wichtige Proteinstrukturen des Virus zu verklumpen, das Virus stirbt dann ab.
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Fieber ist für das Virus gefährlich, aber auch für den Menschen
Das Problem ist allerdings, dass so hohe Temperaturen auch für Menschen gefährlich werden. Die Nieren versagen, und die Wände der kleinsten Blutgefäße werden durchlässig, sodass Plasma aus dem Blut ins Gewebe austreten kann. Im Gehirn kann dies zu gefährlichen Ödemen führen. Erste Anzeichen sind Benommenheit, Apathie, schwere Kopfschmerzen. Das Blut wird dickflüssiger. Die Gefahr für Blutgerinnsel, sogenannte Thrombosen, steigt an und damit die Gefahr einer Lungenembolie.
Das Immunsystem ist in dieser Phase hochgradig aktiviert, verbraucht alle Energie und alle Ressourcen. Im ganzen Körper werden jeder Prozess und jede Tätigkeit eingestellt, die nicht lebenswichtig sind. Sprich, man liegt völlig platt im Bett, hat keinen Hunger, keinen Durst, kann sich nicht mehr bewegen, alles tut weh.
In der Schwangerschaft gibt es dabei eine ganz spezielle Situation. Das Immunsystem ist nämlich in dieser Zeit herunterreguliert, damit das ungeborene Baby nicht als Fremdkörper erkannt und abgestoßen wird. Das bedeutet aber auch, dass die Schutzreaktionen bei Infektionskrankheiten anders und langsamer ablaufen. Bei schwangeren Frauen passiert es deshalb häufiger als bei nicht schwangeren, gleichaltrigen Frauen, dass sie länger mit einer Grippe krank sind und dass es länger dauert, bis die Bekämpfung der Viren überhaupt erfolgreich wird.
Schwangere brauchen häufiger Sauerstoff
Schafft das Immunsystem es nicht schnell, die Viren in den Atemwegen zu bekämpfen, so kann das die Atmung so stören, dass ein Sauerstoffmangel auftritt. Dann spätestens muss unbedingt eine Einlieferung in ein Krankenhaus erfolgen, um die Sauerstoffzufuhr – per Nasensonde oder per Atemmaske – zu sichern. In sehr seltenen Fällen reicht aber nicht einmal das aus: Wenn das Immunsystem die Erreger nicht effektiv bekämpfen kann und wenn vielleicht auch noch gefährliche Bakterien sich in den Lungen auf der körperwarmen Schicht an zerstörtem Gewebe ausbreiten, muss eventuell vorübergehend sogar beatmet werden.
Sich ausbreitende Bakterien müssten auch mit Antibiotika bekämpft werden. Alle Statistiken zeigen genau das: Wenn schwangere Frauen sich mit einer echten Grippe anstecken, dann müssen sie häufiger im Krankenhaus und auch häufiger auf einer Intensivstation behandelt werden als nicht schwangere Frauen.
Entweder – oder, auf Kosten des Babys
Kommen wir an dieser Stelle noch einmal zu dem Punkt zurück, dass man bei einer Influenza – anders als bei einem normalen Schnupfen – für einige Tage richtig krank im Bett liegt. Wenn die Influenza während einer Schwangerschaft auftritt, dann kann es passieren, dass der Organismus innerhalb kürzester Zeit zu dem Schluss kommt, dass die Krankheit nicht besiegt werden kann, solange die Schwangerschaft besteht. Es kann in dieser Situation zu einem vorzeitigen Blasensprung kommen, zu vorzeitigen Wehen und zum Beginn der Geburt lange vor dem eigentlichen Geburtstermin.
Das alles kann verhindert werden. Nicht nur durch eine gute Gesundheit und Fitness, durch gesunde Ernährung und viel Bewegung an der frischen Luft. Sondern durch eine Grippeimpfung zu Beginn der Wintersaison. In jeder neuen Schwangerschaft sollte die Impfung wiederholt werden, denn die Grippeviren verändern sich ständig, und der Impfstoff wird jedes Jahr neu angepasst. Sie können ihre Frauenärztin oder Ihren Frauenarzt fragen, die meisten haben den Impfstoff vorrätig. Oder sie fragen Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt.
Jetzt nach der Grippeimpfung fragen
Die Grippeimpfung ist zu jedem Zeitpunkt in der Schwangerschaft möglich. Es heißt zwar, dass Sie sich nicht impfen lassen sollten in den ersten drei Monaten. Aber das liegt nicht daran, dass die Impfung gefährlich wäre, sondern nur daran, dass es in dieser Zeit sehr häufig zu einem Verlust der Schwangerschaft kommt. Und es sollte nicht der Verdacht entstehen, dass das irgendetwas mit der Grippeimpfung zu tun haben könnte.
Falls Sie noch eine Auffrisch-Impfung gegen COVID-19 brauchen: Beide Impfungen können am selben Tag gegeben werden, ebenso gut aber auch nacheinander. Nach der COVID-Impfung sollten Sie ein, zwei Tage keine wichtigen Aktivitäten planen. Es kann sein, dass Sie für kurze Zeit lieber im Bett liegen bleiben wollen.
Autorin: Dr. med. Susanna Kramarz
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📅 Letzte Änderung am: 12. März 2023