Diabetes: Stillen schützt Mutter und Kind

Wenn es keine wesentlichen Hindernisse gibt, dann ist Stillen die natürliche und beste Ernährung für das Baby. Gestillte Kinder entwickeln eine bessere Immunabwehr als Kinder, die mit Fertigmilch aufgezogen wurden und sind so effektiver gegen Infektionen der Luftwege, der Harnwege, des Magen-Darm-Trakts sowie Mittelohrentzündungen geschützt. Gestillte Kinder haben zudem ein geringeres Risiko, im Verlauf ihres Lebens übergewichtig zu werden. Das liegt vor allem daran, dass die Menge an Brustmilch bei den meisten Frauen biologisch begrenzt ist und eine Überernährung des Babys so kaum stattfinden kann. Da das Stillen sehr viel Energie verbraucht, nehmen viele Frauen während des Stillens ab und erkranken auch seltener an einem Typ-2-Diabetes. Frauen mit einem Typ-1-Diabetes dagegen stillen häufig nicht, weil sie fürchten, dass dadurch gefährliche Unterzuckerungen entstehen könnten.

Nach dem Schwangerschaftsdiabetes hilft das Stillen auch der Mutter

Dass das Stillen Kalorien und Energie verbraucht, kann ein sehr hilfreicher Effekt sein, wenn sich in der Schwangerschaft ein Gestationsdiabetes entwickelt hatte. Denn häufig entwickelt sich in den Folgejahren eine Diabeteserkrankung: Fast zwei Drittel der Frauen, die wegen ihres Gestationsdiabetes Insulin bekommen mussten, entwickeln innerhalb von drei Jahren nach der Entbindung einen Typ-2-Diabetes, innerhalb von 15 Jahren sogar mehr als 90 Prozent. Übergewichtige Frauen sind besonders gefährdet.

Bei Frauen, die einen Schwangerschaftsdiabetes hatten, kann sich die Stoffwechsellage verbessern, wenn sie nach der Geburt ihr Kind stillen. Je länger sie das Baby mit Muttermilch versorgen, desto deutlicher sinkt das Risiko, dass sich später tatsächlich ein Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt: Dieses Risiko kann bei stillenden Frauen mit Gestationsdiabetes um mehr als 40 Prozent gesenkt werden und damit die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes um 10 Jahre verzögern.Ein Grund dafür ist, dass die Milchproduktion über einen hormonellen Kreislauf die Bildung von Insulin anregt. So haben Frauen mit Diabetes, die ihre Babys stillen, niedrigere Zuckerspiegel im Blut als nicht-stillende Diabetespatientinnen. Zudem verbraucht Stillen Energie, und das fördert die Normalisierung des Gewichts nach der Entbindung.

Diabetes Typ 1: Stillen verringert Insulinbedarf und schützt Kind

Ein Diabetes Typ 1 dagegen kann das Stillen von Anfang an erheblich erschweren: Häufig ist der Milcheinschuss verzögert, oder wegen einer Unterzuckerung des Neugeborenen wird von den Ärztinnen und Ärzten eine Zufütterung von Glukoselösung angesetzt. Zudem werden die Mutter und ihr Baby manchmal auch getrennt, weil das Neugeborene in eine Kinderklinik verlegt werden muss. Auch dadurch kann das Stillen erschwert werden.

Um einer Unterzuckerung des Babys nach der Geburt vorzubeugen, gibt es eine Besonderheit, die Diabetikerinnen in speziellen Diabeteszentren lernen können: Noch in der Schwangerschaft, kurz vor der Geburt, tritt aus der Brust die Vormilch aus, das sogenannte „Kolostrum“. Diese Vormilch kann tröpfchenweise unter besonders hygienischen Bedingungen schon vor der Geburt gewonnen und tiefgefroren aufbewahrt und kann dem Baby kurz nach der Geburt angeboten werden, wenn die Milch aus der Brust noch nicht ausreicht. So können Phasen der Unterzuckerung vermieden werden, ohne dass das Baby eine Zuckerlösung trinken muss. Normalerweise tritt die Vormilch vor der Geburt nicht oder nur in Tröpfchen aus der Brust aus. Um genug davon zu gewinnen, dass es als frühe Mahlzeit für das Baby reicht, muss die Brust ausmassiert werden, die Tröpfchen werden jeden Tag gesammelt und einzeln eingefroren. Eine Anleitung dafür findet sich zum Beispiel hier in der Broschüre zur Gewinnung von Kolostrum (kssg.ch) .

Typ-1-Diabetikerinnen haben häufig Angst, dass es durch das Stillen zu nächtlichen Unterzuckerungen kommen könnte. Häufig meiden sie das Stillen, da sie fürchten, sich dann nachts um die lebensnotwendige Kohlehydratversorgung kümmern zu müssen. Dass eine zusätzliche Kohlenhydratversorgung in der Nacht notwendig ist, ist jedoch inzwischen widerlegt. Wichtig ist jedoch, dass stillende Mütter mit Diabetes Typ 1 den aktuellen Insulinbedarf anpassen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Insulinbedarf beim Stillen sinkt. Der Blutzucker muss regelmäßig gemessen werden, und wie auch sonst muss die Aufnahme von Kohlehydraten dokumentiert werden.

Am besten gelingt das mit den modernen Loop-Systemen, die eine kontinuierliche Blutzuckermessung mit einer halbautomatischen Insulingabe verbinden. Diese Systeme sind kostspielig; deshalb gibt es häufig Probleme mit der Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Das Argument, dass mithilfe eines solchen modernen Systems Perioden von Unterzuckerung während der Stillzeit vermieden werden sollen, könnte hilfreich sein für die Bewilligung.

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Kinder von Müttern mit Typ-1-Diabetes selbst seltener an Typ-1-Diabetes erkranken, wenn sie gestillt worden sind.  

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Nach der Geburt wird nur halb so viel Insulin gebraucht

Prof. Dr. med. Schäfer-Graf, langjährige Leiterin des Diabeteszentrums für Schwangere am St. Joseph Krankenhaus in Berlin, rät Frauen mit insulinpflichtigem Diabetes, das Basalinsulin nach der Geburt anzupassen. „In der Regel beträgt die nötige Insulindosis nur die Hälfte des vorgeburtlichen Bedarfs“, rechnet die ‚Diabetologin und Fachärztin für Gynäkologie vor. Auch während des Stillens reduziert sich der Insulinbedarf dauerhaft: So benötigen die Frauen in der Regel rund 25 Prozent weniger Insulin. „Die Angst, das Baby könne das Insulin über die Muttermilch zu sich nehmen, ist unbegründet. Insulinmoleküle sind so groß, dass sie nicht in die Muttermilch gelangen können“, gibt Schäfer-Graf Entwarnung.

Schäfer-Graf rät Frauen mit Diabetes Typ 1 und 2 oder Schwangerschaftsdiabetes, bereits während ihrer Schwangerschaft multiprofessionelle Diabetesambulanzen mit Erfahrung in der Betreuung von Schwangeren aufzusuchen. Dort können sie sich mit dem Thema Stillen vertraut zu machen, sich ausgiebig beraten lassen, sich auf die Zeit nach der Geburt vorbereiten und die Technik der vorgeburtshilflichen Kolostrumgewinnung erlernen.

Autorin: Dr. med. Susanna Kramarz
Bild-Copyright © Helena Lopes / Unsplash

Quellen:

  1. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, Stillen in Deutschland, Volume 61, issue 8, August 2018 https://link.springer.com/journal/103/volumes-and-issues/61-8?page=1
  2. Ziegler, A.-G. et al. (2012): Long-Term Protective Effect of Lactation on the Development of Type 2 Diabetes in Women With Recent Gestational Diabetes Mellitus, Diabetes DOI: 10.2337/db12-0393 http://diabetes.diabetesjournals.org/content/early/2012/10/11/db12-0393.long   
  3. Ringholm, L., Roskjær, A. B., Engberg, S., Andersen, H. U., Secher, A., Damm, P., & Mathiesen, E. R. (2019). Breastfeeding at night is rarely followed by hypoglycaemia in women with type 1 diabetes using carbohydrate counting and flexible insulin therapy. Diabetologia, 62(3), 387–398. https://doi.org/10.1007/s00125-018-4794-9
  4. Pressemitteilung “Weltstillwoche – warum Stillen beim Diabetes wichtig ist“, Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutscheland e.V., 31.07.2023
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