Früher wurde der Kaiserschnitt nur im Notfall durchgeführt – doch heute kommt in Deutschland bereits jedes vierte Kind mithilfe des Chirurgen zur Welt. Der Anteil der Geburten durch einen Kaiserschnitt ist zwischen 1995 und 2009 von 15 Prozent auf 31 Prozent angestiegen. Tendenz steigend. Immer häufiger wünschen sich Schwangere einen Kaiserschnitt. Die Entscheidung scheint plausibel: Statt stundenlanger Wehen ist nach 45 Minuten alles vorbei! Vom geplanten Kaiserschnitt verspricht man sich eine schnelle, planbare Geburt ohne Wehenschmerzen.
Doch ist der Wunsch-Kaiserschnitt wirklich der bequemere Weg ins Leben? Schließlich ist es eine Operation – und damit auch mit Risiken verbunden. Der geplante Kaiserschnitt wird zehn bis 14 Tage vor dem errechneten Geburtstermin durchgeführt, lange bevor die Wehen beginnen. Doch erst in den letzten drei Wochen vor der Geburt steigt das Hormon Cortisol beim Säugling stark an. Durch dieses Hormon werden zwei wichtige Prozesse ausgelöst: Die Lungen des Fötus reifen und er signalisiert der Mutter, dass er für die Geburt bereit ist. Das Cortisol wandert in den Mutterkuchen (Plazenta) und löst dort eine Hormonkaskade aus, damit die Wehen beginnen. Diese Prozesse werden beim Wunschkaiserschnitt gestört.
Mütter entscheiden sich auch deshalb für den geplanten Kaiserschnitt, weil sie das Beste für ihr Baby wünschen. Doch ist der Kaiserschnitt auch für das Baby der beste Weg ins Leben? Beim Kaiserschnitt ist immer ein Kinderarzt anwesend – auch beim Wunsch-Kaiserschnitt. Und das hat seinen triftigen Grund: Da der Säugling nicht durch den engen Geburtskanal gepresst wird, verbleibt Fruchtwasser in der Lunge. Das muss in vielen Fällen durch den Kinderarzt abgesaugt werden. Häufig erleiden Kaiserschnittbabys auch eine sogenannte „Anpassungsstörung“ – d.h. sie atmen schwächer und unregelmäßiger als vaginal geborene Säuglinge.
Auch für die Mütter ist der Kaiserschnitt nicht die bessere Methode. Sie haben immer noch ein dreifach höheres Risiko an einem Kaiserschnitt zu sterben als an einer vaginalen Geburt. Es sind vor allem die üblichen Risiken einer großen Operation wie die Risiken der Narkose, Thrombosegefahr oder Infektionen. Hinzu kommt die Gefahr von Blutungen, die während bzw. nach einer Schwangerschaft stärker sind als sonst.
Mit dem Verzicht auf eine natürliche Geburt werden Schwangere zu Patientinnen. Und riskieren vor allem langfristig ihre Gesundheit. Denn die angeblich so kleine Narbe unter der Bikinigrenze kann später Probleme verursachen: Jede Narbe kann Verwachsungen bilden. Und durch jede Narbe im Bauchraum wird eine weitere Operation schwieriger und risikoreicher.
Als Vorteile des Kaiserschnitts gegenüber einer natürlichen Geburt gelten eine geringere Sterblichkeit des Kindes, ein wesentlich geringeres Risiko eines bleibenden Geburtsschadens (bei der natürlichen Geburt etwa 1:500) und ein geringeres Infektionsrisiko beim Kind. Die Mutter reduziert das Risiko bleibender Beckenbodenschäden (z. B. Harn- oder Stuhl-Inkontinenz, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr). Diese können als Folge der extremen Dehnung und ggf. auch des im Verlaufe der natürlichen Geburt häufig durchgeführten Dammschnitts auftreten. Darüber hinaus ist der eigentliche Entbindungsvorgang beim Kaiserschnitt durch die Narkose fast völlig schmerzfrei, während natürliche Geburten trotz aller Fortschritte der Geburtshilfe häufig noch mit starken Schmerzen verbunden sind. Neue, schonendere Operationstechniken (wie die „Misgav-Ladach-Methode“) haben darüber hinaus die Liegezeit im Krankenhaus auf meist nur wenige Tage verkürzt.
Gegner des Wunschkaiserschnitts, wie etwa die deutschen Hebammenverbände, kritisieren die Betonung des vermeintlichen Selbstbestimmungsrechts der Frau bei der Frage „Wunschkaiserschnitt: ja oder nein“. Sie sehen den Wunschkaiserschnitt nicht als gleichwertige Alternative. Der Kaiserschnitt ist im Notfall eine bewährte Methode, doch er sollte nicht zum Normalfall werden. Der bequeme und sicherere Weg der Geburt ist der geplante Kaiserschnitt auf jeden Fall nicht. Über die Risiken werden die Frauen häufig nicht ausreichend informiert. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt eine Kaiserschnittrate von 10 Prozent – Deutschland lag mit 31,8 Prozent für das Jahr 2014 schon weit über dieser Empfehlung. Die Ärzte schneiden immer häufiger und die Indikation für einen Kaiserschnitt wird immer weiter gefasst.
Sie sollten jedoch nichts voreilig entscheiden. Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt darüber. Ihre Ängste – die völlig normal sind – können Sie mit Ihrem Partner, Freunden, Eltern, der Hebamme etc. besprechen und hoffentlich etwas abbauen! Auch der Geburtsvorbereitungskurs, für den Sie sich rechtzeitig anmelden sollten (ca. in der 20. SSW), kann Ihnen helfen, die Angst vor der Geburt zu mindern. Außerdem gibt es auch Alternativen, wie bspw. eine normale Geburt unter Periduralanästhesie (PDA). Vor allem bei stark empfundenen Schmerzen und langem Geburtsverlauf kann eine PDA hilfreich unterstützen.
Informieren Sie sich zu diesen Themen, auch zu den Alternativen!
Machen Sie sich bewusst, dass Geburtsangst zur Schwangerschaft dazu gehört. Jede Mutter kennt sie. Beruhigend kann dann auch ein ganz banaler Gedanke sein: Gehen Sie an einem Samstag in die Fußgängerzone und schauen Sie sich die vielen Menschen an. Sie alle sind irgendwann von einer Frau geboren worden – und auch Sie werden das schaffen!
Bild-Copyright © LittleDogKorat / shutterstock
📅 Letzte Änderung am: 12. September 2024