Wenn in den Medien beziehungsweise in Gesellschaftsrunden über die Schwangerschaft berichtet und diskutiert wird, kommt nicht selten das Phänomen der sogenannten Vergesslichkeit in der Schwangerschaft zur Sprache. Die Theorie besagt, dass in der Zeit der „freudigen Erwartung“ manche Frauen ihre Schlüssel häufiger verlegen, Telefonnummern verwechseln beziehungsweise Probleme haben, sich langfristig Termine zu merken.
Inhaltsverzeichnis
Forschungsergebnisse nicht eindeutig
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, sind in den letzten Jahren mehrere Studien durchgeführt worden, um Schwangere und Nichtschwangere diesbezüglich zu vergleichen. Da sich Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen (Mediziner, Neurologen, Psychologen) mit diesem Thema befasst haben, wurde die Frage aus mehreren Perspektiven beleuchtet und hierbei unterschiedliche Studiendesigns verwendet.
So gab es eine Studie, in der schwangere und nichtschwangere Frauen per Selbsteinschätzung nach ihren Fähigkeiten der Erinnerung und Aufmerksamkeit befragt wurden. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich Schwangere subjektiv als wesentlich beeinträchtigt bzw. benachteiligt gegenüber der Vergleichsgruppe bewerten.
Auch einige weitere Studien, die nicht nur subjektive Empfindungen abfragen, sondern auch objektive Faktoren der Gedächtnisleistung messen, zeigten ähnliche Tendenzen hin zu verminderten kognitiven Fähigkeiten.
Dem widersprechen jedoch andere Studien, die diese Hypothese nicht bestätigen konnten, in denen also keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Leistungsfähigkeit beim Erinnerungsvermögen und der Aufmerksamkeit festgestellt wurden.
Vergesslichkeit in der Schwangerschaft: Eine Frage der Wahrnehmung?
Die Annahme, dass Frauen in der Schwangerschaft vergesslicher werden, kann also anhand von Studien nicht eindeutig belegt werden. Es gibt jedoch unterschiedliche Erklärungsversuche, wo dieser Mythos seinen Ursprung haben könnte oder wieso das Phänomen trotzdem auftreten kann:
1. Die gesellschaftlichen Erwartungen: Die Schwangerschaft ist mit offensichtlichen Veränderungen verbunden, von denen manche auch negativ gedeutet werden. Diese Vorurteile scheinen – ob bewusst oder unterbewusst – sich generell auf die Art und Weise zu übertragen, wie Schwangere wahrgenommen werden.
2. Die Auswirkungen der Schwangerschaft auf den Körper: Schwangere haben häufig mit Schlafproblemen, innerer Unruhe und Erschöpfung zu kämpfen. Dieser Zustand ist einer extremen Stresssituation nicht unähnlich. Eine solche Belastung kann durchaus auch zu einer Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit führen – dies kann jedoch auch bei Nichtschwangeren auftreten.
3. Die selektive Wahrnehmung: Dadurch, dass Schwangere erwarten, dass sie nun vergesslicher werden, fällt es ihnen auch eher auf, wenn sie wirklich mal etwas vergessen, obwohl dies wahrscheinlich genauso häufig passiert wie vor der Schwangerschaft. Sie nehmen die eigene Vergesslichkeit jedoch aber bewusster wahr.
Autoren: Martin Robeck, Katarzyna Zajchowska, Susann-Nike Kirschner
Bild-Copyright © m01229 / flickr (CC BY 2.0)
📅 Letzte Änderung am: 23. September 2024