Stillen schützen und fördern – auch für die Kleinsten

Eine Frau hält ein frühgeborenes Baby im Arm und stillt es, während eine Krankenschwester zusieht.

Ein Beitrag zur Welt-Stillwoche 2025 von Yvonne Willibald, Presse und Kommunikation, Global Foundation for the Care of Newborn Infants (GFCNI)

Muttermilch ist die beste Ernährung für jedes Baby und gleichzeitig ist Stillen mehr als reine Nahrungsaufnahme – es ist Nähe, Fürsorge und Geborgenheit. Jedes Jahr vom 1. bis 7. August werden die Vorzüge des Stillens im Rahmen der Welt-Stillwoche gefeiert, die 1991 von der World Alliance for Breastfeeding Action (WABA) ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, das Bewusstsein für die Bedeutung des Stillens weltweit zu stärken und politische, gesellschaftliche und medizinische Rahmenbedingungen zu fördern, die Frauen beim Stillen unterstützen. Dieses Ziel eint alle Unterstützenden weltweit, auch wenn einige Länder ihre nationale Stillwoche zu anderen Terminen begehen. So findet die Stillwoche in Deutschland beispielsweise stets in der 40. Kalenderwoche eines Jahres statt, angelehnt an die Dauer einer regulären Schwangerschaft.

Muttermilch: Darum ist sie so wertvoll

Die Milch der eigenen Mutter ist ein wahres Superfood für Babys: Sie enthält alle Nährstoffe, die ein Neugeborenes für Wachstum, Immunabwehr und eine gesunde Entwicklung braucht. Da die Muttermilch optimal auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt ist und dessen Nährstoff- und Flüssigkeitsbedarf vollständig deckt, ist in der Regel während der ersten sechs Lebensmonate keine zusätzliche Nahrungs- oder Flüssigkeitszufuhr notwendig. [1] Doch Stillen ist mehr als nur Ernährung: Es stärkt das Immunsystem, unterstützt das Wachstum und fördert die Mutter-Kind-Bindung. Daher ist sie die optimale Ernährung auch für frühgeborene Babys und sollte so schnell wie möglich nach der Geburt gegeben werden. [2]

Die Vorteile des Stillens für Frühgeborene und ihre Mütter

  • Nährstoffe: Muttermilch ist für Frühgeborene gut verträglich und leicht verdaulich. Lipide und Fettsäuren unterstützen die Entwicklung des Nervensystems und der Sehleistung. Die erste Muttermilch, die direkt nach der Geburt produziert wird, das Kolostrum, ist aufgrund ihrer infektionsbekämpfenden und immunstärkenden Eigenschaften besonders vorteilhaft für das Baby. Hier zählt tatsächlich jeder Tropfen, um das Wachstum, die Darmreife und die allgemeine Entwicklung und Gesundheit des Babys zu fördern.
  • Immunabwehr: Das Immunsystem von Frühgeborenen ist noch nicht voll ausgereift und die Immunabwehr reduziert. Muttermilch kann das Baby vor Atemwegsinfekten und Magen-Darm-Erkrankungen schützen. Unter anderem verringert die Ernährung mit Muttermilch das Risiko der Nekrotisierenden Enterokolitis (NEK), einer akuten entzündlichen Darmerkrankung, die der häufigste gastrointestinale medizinische Notfall bei Neugeborenen ist und vor allem Frühgeborene betrifft.
  • Verdauung: AuchMagen und Darm von Frühgeborenen sind noch unreif. So funktionieren beispielsweise die Darmbewegungen, die Absonderung schützender und verdauungsfördernder Substanzen sowie die Nahrungsaufnahme und -verdauung noch nicht reibungslos. Die in der Muttermilch enthaltenen Fette sind leicht verdaulich. Schützende Enzyme, Hormone und verschiedene Wachstumsfaktoren können die Reifung und das Wachstum des Darms unterstützen. Oligosaccharide (unverdauliche Kohlenhydrate) in der Muttermilch fördern zudem den Aufbau einer gesunden Darmflora.
  • Bindung: Der Haut-zu-Haut Kontakt (auch Känguruhen genannt) während des Stillens sorgt durch die Ausschüttung spezieller Hormone unter anderem für eine besondere Bindung zwischen Mutter und Baby, fördert die Milchproduktion und somit das Stillen. Zusätzlich kann das Känguruhen den Herzschlag, die Sauerstoffsättigung und die Atemfrequenz von frühgeborenen Babys stabilisieren.
  • Langfristige Effekte: Studien konnten Zusammenhänge zwischen dem Stillen und einem geringeren Risiko für Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Asthma feststellen. Bei ehemaligen Frühgeborenen zeigte sich eine bessere kognitive Entwicklung, wenn sie gestillt wurden. Für stillende Mütter reduziert sich darüber hinaus das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs. Zusätzlich kann der körperliche Haut-zu-Haut Kontakt während des Stillens das Risiko für postpartale Depressionen in den ersten Monaten nach der Geburt senken. [2]

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Warum ist das Stillen von Frühgeborenen so schwierig?

Trotz der zahlreichen gesundheitlichen Vorteile des Stillens für Frühgeborene ist es gerade für diese Babys und ihre Mütter besonders schwierig, eine stabile Stillbeziehung aufzubauen. Frühgeborene werden seltener und meist auch über einen kürzeren Zeitraum hinweg gestillt als termingeborene Kinder. [3,4]

Oftmals sind es schlicht physiologische Aspekte, die das Stillen bei Frühgeborenen erschweren. Denn anders als gesunde, termingeborene Babys können Frühgeborene meist nicht direkt nach der Geburt an der Brust trinken – zum Beispiel, weil sie noch Schwierigkeiten haben, Saugen, Atmen und Schlucken zu koordinieren oder weil ihr Verdauungstrakt noch zu unreif ist und sie über eine Sonde ernährt werden müssen. [2]

Das bedeutet: Wenn Mütter ihr Frühgeborenes später voll stillen möchten, müssen sie in den meisten Fällen zunächst Muttermilch per Hand gewinnen und abpumpen, um den Milchfluss in Gang zu bringen und aufrechtzuerhalten – oftmals über Wochen hinweg, idealerweise zehn Mal in 24 Stunden. [5] Allein das zeigt bereits, dass besonders viel Geduld und Einsatz notwendig ist, um ein Frühgeborenes zu stillen. Hinzu kommen dann noch die körperlichen Auswirkungen, die eine Geburt ohnehin mit sich bringt, sowie der emotionale Stress, dem Eltern ausgesetzt sind, wenn ihr Baby intensivmedizinisch betreut werden muss. Mit der richtigen Unterstützung kann das Stillen auch bei Frühgeborenen dennoch gelingen.

Der Weg zum Stillen – in kleinen Schritten

Stillen ist ein Prozess. Bei Frühgeborenen sieht dieser meist etwas anders aus als bei Termingeborenen:

  • Direkt nach der Geburt: Der Stillprozess beginnt auch bei Frühgeborenen idealerweise möglichst früh nach der Geburt – allerdings nicht mit dem Anlegen, sondern nach Möglichkeit mit der sofortigen Anwendung der Kangaroo-Mother-Care Methode (früher, kontinuierlicher und anhaltender Haut-zu-Haut Kontakt zwischen Mutter und Baby). Der direkte Haut-zu-Haut Kontakt fördert die Entwicklung der Nahrungsaufnahme des Babys und löst den Milchproduktionsreflex der Mutter aus. Gleichzeitig ist es wichtig, frühzeitig Kolostrum zu gewinnen, zum Beispiel von Hand und/oder mithilfe einer Milchpumpe. Das Kolostrum kann dem Baby über die sogenannte Mundpflege verabreicht werden. Dabei werden kleinste Tropfen in den Mund gegeben. Das ist für Frühgeborene besonders vorteilhaft, da das Kolostrum hochkonzentrierte Antikörper enthält und die Immunabwehr und Darmreifung unterstützt.
  • 26 bis 32 Wochen: Beim Känguruhen können frühgeborene Babys manchmal bereits ihren Kopf in Richtung Brust drehen und von dort ein paar Milchtropfen lecken. Viele Babys versuchen zwar bereits zu saugen, sie sind jedoch meist zu schwach, um effektiv an der Brust zu trinken und müssen oft zusätzlich über eine nasale Magensonde ernährt werden.
  • 32 bis 35 Wochen: Die meisten frühgeborenen Babys beginnen jetzt, das Saugen, Schlucken und Atmen zu koordinieren. Sie sind in diesem Alter jedoch meist noch schwach und schnell erschöpft. Daher werden sie in der Regel weiterhin mithilfe einer Sonde ernährt
  • Ab 35 Wochen: Frühgeborene Babys können jetzt immer besser saugen und die Nahrung über den Mund aufnehmen. Manchmal sind die Babys jedoch erschöpft und benötigen weiterhin Nahrung über eine Sonde. Verschiedene Hilfsmittel können das Stillen erleichtern, zum Beispiel Brusthütchen oder die ergänzende Gabe von Muttermilch mittels Finger- oder Becherfütterung. Wichtig ist, dass Eltern dabei begleitet werden, die für sie optimale Methode zu finden.

Gut zu wissen: Wenn das direkte Stillen nicht, noch nicht oder nicht mehr möglich ist, gibt es Alternativen. Muttermilch kann beispielsweise abgepumpt und per Fingerfeeding, mit dem Becher oder mit der Flasche gegeben werden. In einigen Kliniken ist zusätzlich pasteurisierte Spenderinnenmilch verfügbar, was die zweitbeste Alternative zur Milch der eigenen Mutter darstellt. Ist auch das keine Option, kann eine spezielle Frühgeborenen-Formula verwendet werden, die an den besonderen Nährstoffbedarf dieser Babys angepasst ist. [2]

Sehr kleine oder sehr früh geborene Babys haben häufig einen erhöhten Bedarf an Nährstoffen. In diesen Fällen ist eine Anreicherung der Muttermilch notwendig. [2,5] Dabei wird die eigene Muttermilch zusätzlich mit Proteinen, Mineralien, Fetten und Vitaminen angereichert.

Das bedeutet: Stillen folgt keinem „Alles-oder-Nichts“-Prinzip, sondern es gibt ein Spektrum an Möglichkeiten, das individuell an die jeweilige Situation angepasst werden kann.

Stillen fördern durch ein starkes Netzwerk

Wie erfolgreich eine Stillbeziehung wird, hängt aber nicht nur von biologischen Voraussetzungen oder der Motivation der Mutter ab, viel und regelmäßig abzupumpen. Entscheidend sind vor allem die Rahmenbedingungen. Frühgeborene und ihre Mütter brauchen sprichwörtlich ein ganzes Dorf, um eine funktionierende Stillbeziehung aufzubauen und zu erhalten. Das heißt: Sie brauchen ein Umfeld, das sie wirklich unterstützt, sowohl medizinisch als auch emotional.

Wichtig sind unter anderem:

  • Stillfreundliche Strukturen in Kliniken und auf Neugeborenen-Intensivstationen: Kliniken schaffen die Basis für eine gelungene Stillbeziehung. Sofortiger Haut-zu-Haut Kontakt direkt nach der Geburt sollte möglichst unterstützt werden, ebenso wie die uneingeschränkte Anwesenheit der Eltern auf der Neugeborenen-Intensivstation – Tag und Nacht, an allen Tagen der Woche. Familienzimmer, verstellbare Stillstühle und ruhige Rückzugsorte zum Abpumpen erleichtern den Stillstart zusätzlich.
  • Zugang zu geschultem Fachpersonal: Idealerweise findet eine kompetente Stillberatung bereits in der Klinik möglichst früh nach der Geburt statt. Wichtig für eine gelungene Stillbeziehung sind Hilfe bei der Kolostrum- und Milchgewinnung, eine individuelle Beratung, die an den Gesundheitszustand des Babys angepasst ist, sowie emotionale Unterstützung.
  • Einbindung der Familie: Familie und Freunde können eine wichtige Stütze für Eltern von Frühgeborenen sein. Sie können im Alltag entlasten, indem sie beispielsweise im Haushalt helfen oder auf ältere Geschwisterkinder aufpassen, damit der Partner wiederum für Mutter und Baby da sein kann. Auch ein einfaches „Wir sind für Euch da, wenn Ihr etwas braucht“ kann emotional entlasten.
  • Erfahrungsberichte von anderen: Der Austausch mit anderen Eltern von Frühgeborenen kann dabei helfen, sich weniger allein zu fühlen und ist daher für viele Eltern eine wichtige emotionale Stütze. Auch Erfahrungsberichte von anderen zu lesen oder hören, kann hilfreich sein – sei es, um neue Lösungen zu finden, weiter durchzuhalten oder einfach wieder etwas Hoffnung zu schöpfen.

Gesellschaftliche Verantwortung: Stillen ermöglichen statt nur zu erwarten

„Stillen ist das Beste für jedes Kind.“ So richtig dieser Satz auch ist, so großen Druck kann er bei Müttern erzeugen, wenn der Stillstart nicht so recht gelingen will. Denn oft sieht die Realität so aus: viel Eigeninitiative, viele Hürden, wenig Unterstützung. Dabei ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, das Stillen zu ermöglichen – insbesondere für diejenigen Mütter und Babys, die es ohnehin schon schwerer haben als die meisten anderen.

Die diesjährige Kampagne der GFCNI zur Weltstillwoche hat sich daher zum Ziel gesetzt aufzuzeigen, wie verschiedene Gruppen innerhalb der Gesellschaft dazu beitragen können, Frühgeborenen und ihren Müttern das Stillen zu ermöglichen: von Partnern, Familie und Freunden über andere Eltern von Frühgeborenen bis hin zu Kliniken und medizinischem Fachpersonal. Unter dem Motto „Protect and promote breastfeeding for the best start in life“ (Deutsch: „Stillen schützen und fördern für den besten Start ins Leben“)macht sich GFCNI gemeinsam mit über 100 Partnern weltweit dafür stark, dass Stillen nicht zur Belastung, sondern zur selbstbestimmten Entscheidung werden kann.

Dafür brauchen wir:

  • Stillfreundliche Kliniken mit familienzentrierter Versorgung
  • Zugang zu kompetenter Stillberatung auch nach der Entlassung aus der Klinik
  • Stillfreundliche Angebote, die den Austausch fördern, zum Beispiel Still- und Familiencafés
  • Schutz des Stillens im öffentlichen Raum
  • Flexible Lösungen für Berufstätige, Auszubildende und Studierende

Denn wenn wir Müttern das Stillen erleichtern möchten, müssen wir Rahmenbedingungen schaffen statt Druck auszuüben.

Weitere Informationen und Materialien stehen auf der Kampagnenseite zur Verfügung, unter anderem beispielsweise eine Social Media Grafik in 27 Sprachen: https://www.gfcni.org/campaigns/world-breastfeeding-week

Jede Stillbeziehung ist einzigartig

Das Stillen von Frühgeborenen ist selten einfach, aber die richtige Unterstützung kann dabei helfen, es zu ermöglichen. Der Weg kann dabei von Sondenernährung über abgepumpte Milch bis hin zur Brust führen – oder am Ende aus mehreren Komponenten bestehen. Wichtig ist, dass Eltern eine informierte Entscheidung treffen können. Das setzt eine umfassende, kompetente und wertfreie Stillberatung voraus, die über sämtliche Möglichkeiten sowie Vor- und Nachteile informiert. Entscheidend ist, dass sich Eltern, und insbesondere Mütter, gesehen, verstanden und gestärkt fühlen. Denn jede Stillbeziehung ist einzigartig und verdient es, verständnisvoll und unterstützend begleitet zu werden.

Autorin: Yvonne Willibald, GFCNI
Bild-Copyrights © GFCNI/Quirin Leppert (Beitragsbild), GFCNI/Christian Klant und GFCNI

Referenzen:
[1] Max-Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. Nationale Stillkommission.
https://www.mri.bund.de/de/themen/nationale-stillkommission/nationale-stillkommission/stillen/  (23.07.2025).
[2] GFCNI. (2024). Stillen von Frühgeborenen. https://www.gfcni.org/fileadmin/www.gfcni.org/Campaigns/World_Breastfeeding_Week/GFCNI_Factsheet_Breastfeeding_2024_German.pdf (23.07.2025)
[3] Vizzari, G., Morniroli, D., D‘Auria, A., Travella, P., Bezze, E., Sannino, P., Rampini, S., Marchisio, P., Plevani, L., Mosca, F., Gianni, M.L. (2013). Feeding Difficulties in Late Preterm Infants and Their Impact on Maternal Mental Health and the Mother–Infant Relationship: A Literature Review. Nutrients, 2023, 15, 2180.
https://doi.org/10.3390/nu15092180
[4] Sankar, M.N., Weiner, Y., Chopra, N., Kann, P., Williams, Z., Lee, H.C. (2022). Barriers to optimal breast milk provision in the neonatal intensive care unit. Journal of Perinatology, 2022, 42, 1076-1082
doi: 10.1038/s41372-021-01275-4
[5] Europäisches Institut für Stillen und Laktation. (2022). Frühgeborene und Stillen. https://www.stillen-institut.com/de/fruehgeborene-und-stillen.html (23.07.2025)

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